Pressemitteilung
vom 7. 2. 2003
Schwebefähren
gründen
Weltverband
Demnächst Kontaktgespräche
in Niedersachsen
und Schleswig-Holstein / Werden
die Baudenkmale
als Unesco-Weltkulturerbe geschützt?
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Schwebefähren sind nicht nur
touristische Attraktionen, sondern auch faszinierende Zeugen wissenschaftlichen
Wagemuts und unersetzliche kultur- und technikgeschichtliche Denkmale.
Diesen Gedanken will ein Weltverband der Schwebefähren verbreiten,
dessen Gründung zur Zeit in Spanien, Großbritannien und
Deutschland vorbereitet wird.
Ende Februar will eine Vertreterin
der Verbandsinitiative, Rocio Velasco aus dem spanischen Bilbao, in der
Bundesrepublik erste Gespräche führen. Vorgefühlt hat
sie bereits in Rendsburg (Schleswig-Holstein), wo das Wasser- und Schiffahrtsamt
Kiel-Holtenau eine Schwebefähre über den Nord-Ostsee-Kanal betreibt,
und im niedersächsischen Osten, wo der Landkreis Cuxhaven einen
europaweit einzigartigen Schwebefähren-Typ als "Technisches
Baudenkmal" unterhält. Die dritte in Deutschland gebaute Schwebefähre,
die einst auf dem Gelände der ehemals Kaiserlichen Werft in
Kiel die Schwentine überbrückte, ist bereits Anfang der
zwanziger Jahre auf Grund der Versailler Verträge abgerissen worden.
Die Initiative zur Gründung
der "World Transporter Bridge Association" ist von Spanien
ausgegangen, wo der französische Ingenieur Ferdinand Arnodin 1893
im baskischen Portugalete bei Bilbao die erste Schwebefähre
der Welt konstruiert hat. Dieser Brückentyp galt damals als
ideal geeignet vor allem für die Querung des Mündungsbereichs
tideabhängiger Flüsse, weil er die Durchfahrt seegängiger
Schiffe gestattete, ohne den Bau aufwendiger Rampenanlagen in dicht besiedelten
Hafenrandgebieten erforderlich zu machen.
Weltweit entstanden, vorwiegend
bis Ende der zwanziger Jahre, knapp 20 weitere Schwebefähren, unter
anderem in Bizerta (Tunesien), Rio de Janeiro (Brasilien), Buenos
Aires (Argentinien), Duluth (USA), Marseille (Frankreich) und
Widnes (Großbritannien). Bis auf einen kleinen Restbestand
sind diese Meisterwerke der Ingenieurskunst verschwunden, sie waren
Opfer kriegsbedingter Demontagen, mußten modernen Betonbrücken
weichen oder wegen Baufälligkeit stillgelegt werden.
In Europa erhalten geblieben sind
neben den beiden deutschen Anlagen und der spanischen "Mutter aller
Schwebefähren", der "puente transbordador" über den Nervion
bei Bilbao, nur noch eine Fährbrücke über die Charente im
französischen Rochefort, die als Baudenkmal geschützt ist, sowie
drei von ursprünglich vier britischen "transporter bridges": in Newport,
in Middlesbrough sowie eine (stillgelegte) Anlage auf einem Industriegelände
in Warrington.
"Erst in den letzten Jahrzehnten
haben die Zeitgenossen den enormen kulturgeschichtlichen Wert der
rostanfälligen Monster erkannt," sagt Jochen Bölsche vom
Vorstand der "Fördergesellschaft zu Erhaltung der Schwebefähre
in Osten e. V.", die im Internet unter www.schwebefahre.org über
die raren Relikte aus den Gründerjahren informiert.
Nachdem 1974 eine moderne Straßenbrücke
über die Oste eingeweiht worden war, musste eine Bürgerinitiative
um den Ostener Fährkrug-Hotelier Horst Ahlf erbittert darum
kämpfen, den schon geplanten Abriss der ersten deutschen Schwebefähre
zu verhindern. Die Ostener Fähre war 1909 von dem französischen
Ingenieur Louis Pinette gebaut worden, einem Schüler des renommierten
Ingenieurs und Pariser Eiffelturmerbauers Alexandre Eiffel.
In Kürze soll der "Eiffelturm
des Nordens" vom Landkreis Cuxhaven, der Stadt Hemmoor und der Gemeinde
Osten mit einem Kostenaufwand von insgesamt rund 100 000 Euro generalüberholt
werden, damit möglichst bald wieder Demonstrationsfahrten für
Besucher des Elbe-Weser-Dreiecks unternommen werden können.
Mittlerweile erwägen internationale
Experten die Aufnahme der wenigen erhaltenen Schwebefähren in
die Unesco-Liste des "Weltkulturerbes". Bereits 1997 hatte der "International
Council on Monuments and Sites" (Icmas) in einer Stellungnahme für
die Uno in der Kategorie "Bewegliche Brücken und Fährbrücken"
auch die Schwebefähren in Portugalete, Rochefort und Middlesbrough
als "potential world heritage bridges" benannt - neben der weltbekannten
Londoner Tower Bridge.
Auf Anfrage der Ostener Fördergesellschaft
erklärte der Icmas-Gutachter Eric DeLony, Chef des "Historic
American Engineering Record", dieser Tage, er habe die beiden deutschen
Schwebefähren erst nach Abschluß seiner Empfehlung an die
Unesco zu sehen bekommen. Die Rendsburger Schwebefähre gehöre
seiner Meinung nach als einzigartige, herausragende Brückenstruktur
("a unique, outstanding bridge structure") in jedem Fall auf die
Liste des Welterbes.
Auf ein entsprechendes Urteil über
die Fähre in Osten möchte sich der amerikanische Wissenschaftler
aus der Ferne nicht festlegen: "Die einzelnen Länder, in denen
sich die Brücken befinden, sind dafür verantwortlich, einen
Konsens zu erzielen und eine Nominierung für das Weltkulturerbe vorzubereiten
und vorzunehmen."
Die Ostener Fördergesellschaft
hofft, dass dem Baudenkmal ober der Oste zum 100-jährigen Bestehen
im Jahre 2009 nicht nur, wie vor einigen Jahren der Rendburger Schwebefähre,
eine Sondermarke der Bundespost gewidmet wird. "Vor allem kommt es
darauf an, die Erhaltung der Betriebsbereitschaft langfristig finanziell
abzusichern," sagt Vereinsvorsitzender Ahlf, der spätestens vom
Himmelfahrtstag an wieder mit Touristen über den Fluss schweben will.
Was die Ostener Anlage im Vergleich
zu anderen Schwebefähren einzigartig macht, ist die selbstfahrende
Gerüst-Konstruktion, die von einem alten Siemens-Motor aus dem
Jahre 1909 angetrieben wird.