Zeitgeschichte

Das Geheimnis
der Ostebunker (1)

US-Landung 1944: Osteland statt Normandie?

20. 9. 2010. Wer etwa zwischen Hemmoor und Oberdorf den Fluss entlangfährt, dem fallen mit Sicherheit die grauen Betonkuppeln auf, die alle paar hundert Meter den Ostedeich krönen. Über die Entstehung der Bauwerke - Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg - könnte eine Passage aus der jüngst erschienenen Autobiographie des international renommierten Militärhistorikers Alfred Vagts (*1892 in Basbeck, � 1986 in Cambridge, Massachusetts) Aufschluss geben.

Der 1932/33 über England in die USA emigrierte Windmüllersohn und Militärexperte (Foto) beriet in der Schlussphase des Krieges die US-Regierung. Er warnte aus humanitären Gründen - vergebens - vor einer Flächenbombardierung Deutschlands und entwickelte ein Alternativkonzept zur alliierten Landung in der Normandie im Juni 1944 ("Operation Overlord"): Der im heutigen Hemmoor aufgewachsene Emigrant schlug den US-Militärs vor, für die Landungsoperation nicht Frankreich, sondern die Niederelbe vorzunehmen.


Bunker im Ostedeich (bei Oberndorf)

Ist dieses Konzept, wie Vagts in seinen jetzt vorliegenden Memoiren nahelegt, ins Nazireich durchgesickert? Einen Hinweis auf diese Möglichkeit sieht er unter anderem in den Ostebunkern. In den von seinem Neffen Peter Schütt zusammengestellten autobiographischen Schriften (Titel: "Hüben und Drüben")  - einer nahezu unerschöpflichen Fundgrube für politisch und historisch Interessierte - heißt es jedenfalls wörtlich:

"Ich war - als ausgewiesener Militärhistoriker - in einem Expertenteam tätig, das sich an aktuellen, kriegsbedingten Fragestellungen abzuarbeiten hatte. Wir mussten unsere Vorstellungen zum Bombenkrieg entwickeln, fanden allerdings mit unserer Auffassung, die Flächenbombardements auf die Wohngebiete deutscher Städte würden eher zur Stärkung der Kriegsmoral des Feindes beitragen als zu ihrer Schwächung, keinerlei Gehör. Später setzte sich unser Team mit verschiedenen Aspekten der ganzen Morgenthau-Planung auseinander. Wir hielten allesamt nichts davon und wurden bald nach dem Krieg durch die Realität in unseren Einschätzungen bestätigt.


Vagts-Buch (Info und Bestellmöglichkeit)

Wir entwickelten verschiedene Denkmodelle für alliierte Ladungsoperationen, darunter auch einen Plan, in meiner Heimat an der Elbmündung bei Cuxhaven anzulanden, um auf kürzestem Weg nach Hamburg vorzustoßen, Hitlers wichtigsten Hafen. Aber unsere Ausarbeitung wurde als militärisch viel zu riskant, aussichtslos und verlustbringend schon von der nächst höheren Instanz verworfen.

Als ich nach dem Krieg meine Heimat wiedersah, stellte ich zu meinem Erstaunen fest, dass die Nazis von unserem Plan 'Wind bekommen haben mussten', denn sie hatten die Deiche an der Elbe und der Oste mit lauter Unterständen gespickt."

Was ist dran an Vagts' Vermutung? Der Bentwischer Hans-Heinrich Katt weiß von seinem verstorbenen Schwiegervater, dass die "Bunker" auf den Deichen der Oste "nach seiner Information (er war damals, wie alle, Hitlerjunge) dazu dienen sollten, den 'Seeweg' Oste bei Bedarf zu verteidigen. Dies hatte man den Jungen zumindest erklärt."

Für weitere Hinweise unserer Leser zur Entstehung der Ostebunker (an boelsche@gmx.de) sind wir dankbar.


Zeitgeschichte

Das Geheimnis
der Ostebunker (2)

Bunker im Ostedeich (bei Oberndorf)

24. 3. 2011. Unser im September erschienener Bericht "Das Geheimnis der Ostebunker" hat die Aufmerksamkeit eines Experten aus Schleswig-Holstein geweckt. Oliver Wleklinski aus Wedel hält eine Erklärung für die grauen Betonkuppeln auf der Krone des linken Ostedeiches zwischen Hemm und Oberndorf bereit. Er schreibt uns dazu:

"Leider hatte ich bisher keine Gelegenheit, mir diese Objekte direkt vor Ort anzusehen, aber ich habe dazu vermutlich des Rätsels Lösung. Voraussetzung dafür ist aber, dass diese Kuppeln oben ein großes, rundes Loch (Durchmesser etwa 1m) aufweisen.

Sollte es so sein, dann handelt es sich dabei um von der Wehrmacht 1944/45 erbaute "Ringstände". Von diesen Ringständen gab es damals verschiedene Formen und Größen. Sie dienten als einfache Kampfstände/Schützenlöcher für 1 bis 2 Personen. Diese Ringstände wurden auch "Tobruks" nach ihrer erstmaligen Verwendung bei der nordafrikanischen Stadt Tobruk oder bei uns in Norddeutschland auch "Friesentonnen" genannt.

Letzterer Name verweist auch auf den historischen Hintergrund. Diese Kampfstände waren Bestandteil des 1944/45 entlang der deutschen Nordseeküste errichteten Friesenwalls. Nach der erfolgreichen alliierten Invasion in der Normandie am 6. 6.1944 gab Adolf Hitler am 28.8.1944 mit der "Führerweisung 62" den Befehl, die Wattenmeerküste von der niederländischen Grenze bis nach Jütland hinauf zu befestigen.

Das war letztlich die "Geburtsstunde" für den Friesenwall. Der Friesenwall bestand grob gesehen aus zwei Kampflinien, wobei die 1. Linie direkt auf dem Seedeich verlief und die 2. Linie einige Kilometer weiter im Hinterland errichtet wurde. Beide Linien bestanden prinzipiell aus Panzergräben (oder schützenden Flussläufen) und Kampfstellungen für Soldaten.

Im Nordwesten Niedersachsens verlief die 1. Linie über Cuxhaven entlang der Elbe bis zur Ostemündung. Die 2. Linie verlief etwa von Altenwalde über Neuenkirchen bis Neuhaus an der Oste und nahm dann den Ostebogen bis etwa Oberndorf mit auf. Dann bog die 2. Linie nach Westen zur Wingst ab, wo sie "auslief".

Interessant ist ferner, dass zu Kriegsende aus St. Peter-Ording die Flakbatterie Brösum mit 4 x 7,5 cm Flakgeschützen (englische Beutewaffen) nach Niedersachsen verlegt wurde und im Raum zwischen Oberndorf und der Wingst aufgestellt wurde. Vermutlich sollte sie den artilleristischen Rückhalt bieten und/oder die Osteübergänge gegen Luftangriffe schützen."

Oliver Wleklinski erforscht in seiner Freizeit  Befestigungs- und Bunkeranlagen, die etwa seit 1900 in Norddeutschland errichtet worden sind. Mit Hilfe des als gemeinnützig anerkannten, eingetragenen Vereins "Interessengemeinschaft für Befestigungsanlagen beider Weltkriege e.V. (IBA)" werden die gewonnenen Erkenntnisse systematisch aufbereitet und publiziert. Zur Zeit arbeitet Wleklinski gerade an einem umfassenden Bericht über den Friesenwall, Schwerpunkt Schleswig-Holstein.

Für weitere Hinweise unserer Leser zur Entstehung der Ostebunker (an boelsche@gmx.de) sind wir dankbar.


Relikte

Das Rätsel ist
jetzt gelöst

Neues Foto vom Ostedeich

30. 3. 2011. Nach Analyse eines weiteren Fotos vom Ostedeich (siehe oben) teilt uns Reliktexperte Oliver Wleklinski (Foto) heute mit, "dass es sich um Ringstände aus dem 2. Weltkrieg handelt". Weiter schreibt der Wedeler Experte, für den das Rätsel jetzt gelöst ist: "Das Foto zeigt sogar eine relativ aufwändige Bauweise bzw. Form."


Wingst

Wer weiß was
über Voigtding?


Betonkuppel im Oberndorfer Ostedeich
12. 4. 2011. Zuden mysteriösen Betonkuppeln auf dem Ostedeich zwischen Oberndorf und Hemm und Hitlers "Friesenwall" gibt es immer neue Erkenntnisse - und neue Fragen. Der Wedeler Heimatforscher Oliver Wleklinski (Foto) schreibt dazu: "Anfang Oktober 1944 wurden etwa 150 15-jährige Angehörige der Hitlerjugend aus Soltau zuerst nach Altenwalde bei Cuxhaven und dann nach Höftgrube und Weißenmoor am Ostrand der Wingst verlegt, um dort unter teils ungünstigen Witterungsbedingungen etwa 14 Tage lang anstrengende Schanzarbeiten im schweren Kleiboden der Marsch bzw. im steinigen Lehmboden der Geest durchzuführen. Dort entstanden nach militärischen Vorschriften genormte Schützenlöcher und -gräben sowie Granatwerferstellungen.

Im Februar 1945 soll eine zweite Schanzgruppe aus Soltau in die Wingst verlegt worden sein, um auf dem Dobrock die "Zweite Verteidigungslinie" zu bauen. Die Unterbringung der zweiten Gruppe erfolgte in der Dobrocker und Cadenberger Schule. Beide Schanzgruppe wurden durch Schülerinnen aus Soltau betreut, die im sogenannten Gesundheitsdienst des Bundes Deutscher Mädel tätig waren.

Für die von mir bereits genannte Marineflakstellung Brösum, die in der Gegend etwa zwischen Oberndorf und der Wingst stationiert war, gibt es nun eine konkretere Vermutung des Standortes. Eventuell war dieser in der Nähe des Ortes Voigtding." Wer Näheres darüber weiss, wird um eine E-Mail gebeten an boelsche@gmx.de.


www.oste.de



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