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Der Fall Klenck


Lamstedter Schülerinnen-Arbeitsgemeinschaft "Die Zebras"


Lamstedt

Das Vergangene
ist nicht tot...


Appell der Lamstedter Schülerinnen

26. 1. 2012. "So viele Gäste hat noch keine Ausstellung ins Rathaus geholt," sagte der Lamstedter Samtgemeinde-Bürgermeister Werner Otten, als er heute abend (Donnerstag) die Schülerausstellung über den Rassenlehrer und Heimatkundler Willy Klenck eröffnete: Mehr als 70 Besucher waren gekommen, um sich über das rassistische Wirken des 1959 verstorbenen Nindorfer Lehrers zu informieren, der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und mit einer Straßenbenennung geehrt worden war. Die Nazis hatten ihm 1943 das 'rassenpolitische Amt Ost-Hannover' übertragen, 1944 stieg er zum Leiter der Lüneburger Forschungsstelle 'Rasse und Raum' auf.


Redner Doege, Link-Fitschen, Otten, Knust

Es bedurfte erst der Recherchen der Realschülerinnen-Arbeitsgemeinschaft "Die Zebras", bestehend aus Felek Bozan, Nivaashini Arulrajasingham, Celina Junge, Jennifer Schimmrich und Laura Heesen, um eine breitere Öffentlichkeit - und offenbar auch die Ratsmehrheit - über die Rolle Klencks (Foto) in der Nazizeit zu informieren. Als die Schülerinnen der Schule am hohen Rade mit ihrem Geschichtslehrer Thomas Doege Ende vorigen Jahres die Resultate ihrer Arbeit kundtaten, beriefen sich Kommunalpolitiker nach jahrzehntelanger Untätigkeit auf "Wissenslücken". Nachdem "die dunklen Seiten" des Heimatforschers dokumentiert worden waren, habe im Lamstedter Gemeinderat "bedrückte Stimmung" geherrscht, bekannte Bürgermeister Manfred Knust (CDU) bei der Austellungseröffnung.

"Die widerlichsten Abgründe
menschlicher Denkweise"


Klenck-Hetzartikel im "Niedersachsen-Stürmer"

Die Schülerinnen appellierten an den Rat, sich mit der Benennung einer zentralen Lamstedter Straße nach dem Schreibtischtäter Klenck zu befassen. Die Lektüre von Klencks  Schriften - unter anderem Artikel in "Niedersachsen-Stürmer" - habe sie "in die widerlichsten Abgründe menschlicher Denkweise" (Doege) geführt. In Sachen Straßenbenennung, erklärte der CDU-Kommunalpolitiker Knust, bestehe "noch Beratungsbedarf".

Der SPD-Ortsverein Börde Lamstedt hatte die peinliche Straßenbenennung bereits im August 2011 in seinem Börde-Boten und anschließend auf seiner Website aufgegriffen. Die SPD bezog sich dabei auf eine bereits 2000 erschienene Arbeit ("Willi Klenck, Lehrer, Heimatkundler, Nationalsozialist") von Hans Jürgen Kahle und auf einen 2009 veröffentlichten Beitrag in dem Buch "Über die Oste" (hier online), in dem über Klenck im Zusammenhang mit der Ermordung der jüdischen Familie Philippsohn aus Osten berichtet worden war.

Die Exponate, die von den Schülerinnen zusammengetragen worden sind, dokumentieren den Weg von der Rassenhetze über die "Vermessung" und "Verkartung" der Bevölkerung und die Aussonderung von Juden, Zigeunern und Kranken bis hin zum Völkermord. Diese Verbrechen dürften "nicht vergessen und nicht einmal verdrängt" werden, forderte Doege, der mit einem Wort von Christa Wolf schloss, die in ihrem großen Roman "Kindheitsmuster" geschrieben hatte: "Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen."

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Klenck-Werkzeuge zur Schädelvermessung

Schulleiterin Christiane Link-Fitschen zeigte sich stolz, dass die Schülerarbeit "einen Stein ins Rollen gebracht habe"; die Zugehörigkeit der Schule am hohen Rade zum bundesweiten Netzwerk "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" werde weiterhin als Aufgabe und Ansporn verstanden werden. Die Schülerinnen riefen dazu auf, die "Menschenverachtung" zu überwinden, die sich, so Laura Heesen, durch alle ausgestellten Schriften Klencks und anderer "Rassenforscher" ziehe, und durch Aufklärung den Opfern ihre Menschenwürde zurückzugeben. Die Ausstellungsmacher, hatte Doege (Foto) bereits im Vorfeld der Ausstellung hervorgehoben, gehörten "zufälligerweise verschiedenen Religionsrichtungen an: Hindus, kurdische Moslems, Christen sowie ein konfessionsloser Christ mit Affinität zu Fragen des Buddhismus"; sie hätten sich sich "um eine historische Problematik gekümmert, die überwiegend Juden betraf".

Auf diese Weise repräsentiere die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe, freut sich Lehrer Doege, auf ideale Weise "die Menschheitsfamilie".
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Die Schülerarbeiten sind noch bis zum 29. Februar im Lamstedter Samtgemeinderathaus zu sehen. Mehr zum Thema Klenck steht auf der Homepage der Lamstedter Schule sowie in der Niederelbe-Zeitung:

> Das braune Erbe Willi Klencks,

> Nazi-Rasseforscher aus Lamstedt


Lamstedt

Noch keine
Entscheidung


Bürgermeister Knust, NEZ-Bericht

18. 1. 2011. Eine Entscheidung über eine Umbenennung des "Willi-Klenck-Wegs" stand nicht auf der Tagesordnung des Lamstedter Gemeinderates, der am Mittwoch unter dem Vorsitz von Bürgermeister Manfred Knust (CDU) im Bördehus tagte. Stattdessen ließen sich die Lokalpolitiker über eine Arbeit informieren, die Schülerinnen der Schule am Hohen Rade ("Schule ohne Rassismus") über den Heimatforscher und NS-Rasseideologen Klenck angefertigt hatten, nach dem im Ortszentrum noch immer eine Straße benannt ist.

Die auch im Internet zugänglichen Ergebnisse der Arbeitsgruppe "Die Zebras" (Foto: Börde-Bote) präsentierten, gemeinsam mit Lehrer Thomas Doege und in Anwesenheit von Schulleiterin Chistiane Link-Fitschen - fünf Schülerinnen. Die Akteure gehörten, so Doege, "zufälligerweise verschiedenen Religionsrichtungen an: Hindus, kurdische Moslems, Christen sowie ein konfessionsloser Christ mit Affinität zu Fragen des Buddhismus" hätten sich sich "um eine historische Problematik gekümmert, die überwiegend Juden betraf". Vom Donnerstag, 26. Januar, 20 Uhr, an wird die Ausstellung im Foyer des Lamstedter Rathauses zu sehen sein. Aufgegriffen hatte die peinliche Straßenbenennung bereits im August 2011 der SPD-Ortsverein Börde Lamstedt in seinem Börde-Boten und anschließend auf seiner Website.


'Zu hart' für
einen Basar


Lesetipp: Klenck heute in der NEZ

21. 12. 2011. Hohe Wellen schlägt in Lamstedt laut der heutigen Niederelbe-Zeitung die Schülerausstellung über den 1959 verstorbenen Lehrer, Heimatforscher und NS-Rasseideologen Willi Klenck, die zunächst für den Adventsbasar der Schule am hohen Rade angekündigt und dann überraschend abgesagt worden war (wir berichteten). Schulleiterin Christiane Link-Fitschen stellt in der Mittwoch-Ausgabe der NEZ die Verschiebung der Ausstellung ("zu hart für einen Weihnachtsbasar") als ihre eigene Entscheidung hin und dementiert die an der Schule geäußerten Mutmaßungen über eine Intervention von außen. Bevor die Info-Tafeln zu dem jahrzehntelang tabuisierten Thema ab Donnerstag, 26. Januar, im Rathaus-Foyer gezeigt werden, will der Rat den Punkt auf die Tagesordnung einer außerordentlichen Ratssitzung setzen.

Die Gemeinde hatte in den Sechzigern eine Straße nach Klenck benannt. Das Fazit der Recherchen des Schülerinnen-Arbeitskreises der R10b steht seit längerem auf der Homepage der Lamstedter "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage".


Lamstedt

Advent ohne
Willi Klenck


Website der "Schule ohne Rassismus"

15. 12. 2011. Seit 2004 führt die Lamstedter Haupt- und Realschule am Hohen Rade den Titel "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". "Um dieser Auszeichnung gerecht zu werden, bearbeiten Schülergruppen in lockerer zeitlicher Abfolge verschiedene Problemfelder", heißt es auf der Schul-Website. So hat sich seit Oktober 2010 eine Gruppe von vier Schülerinnen der R10b mit ihrem Geschichtslerhrer Doege mit dem einstigen Nindorfer Heimatforscher Willi Klenck befasst, dem in den 60er Jahren in Lamstedt eine zentrale Straße gewidmet worden ist.


Seit den Sechzigern: Lamstedts Willi-Klenck-Weg

Die Straßenbenennung durch den Gemeinderat war von einem Höchmaß an Ignoranz und Instinktlosigkeit geprägt, wie die Recherche-Ergebnisse der Schülerinnen nahelegen: Die Kommunalpolitiker hätten, so schreiben sie, "bemerken müssen, welche zweifelhaften Ämter Klenck in der Zeit des Nationalsozialismus ausgeübt hat. So ist er zum Beispiel, nachdem ihm 1943 das 'rassenpolitische Amt Ost-Hannover' übertragen wurde, 1944 schließlich bis zum Leiter der Lüneburger Forschungsstelle 'Rasse und Raum' aufgestiegen."

Kranke und Vorbestrafte
unfruchtbar machen

Für die jungen Lamstedterinnen ergab sich "das Bild eines Pseudoforschers, der nicht davor zurückschreckte, in seinen Publikationen von 'minderwertigen Menschen' zu sprechen, die unfruchtbar zu machen seien..., u. a. Kranke, Blinde, Taubstumme, Trinker, Vorbestrafte und psychisch kranke Menschen". Angaben über 'Juden, Neger, Zigeuner, asoziale Elemente und Gauner' wurden an "übergeordneten Dienststellen übermittelt".

Fazit der Schülerinnen: Klenck gehöre zu der Reihe jener, "die dem nationalsozialistischen Regime aus Überzeugung und mit großem Eifer zugearbeitet haben." Weiterlesen hier...

Dieses Ergebnis müsste Lamstedter Kommunalpolitikern höchst peinlich sein: Auch nach fast einem halben Jahrhundert ist die Straße im Zentrum noch immer nach einem notorischen Rassisten benannt.

Vernichtung des Judentums
als Gebot der Selbsterhaltung

Über Klencks Rolle war unter anderem - im Zusammenhang mit der Ermordung der jüdischen Familie Philippsohn aus Osten - in dem Buch "Über die Oste" (hier online) berichtet worden, in dem es auf Seite 38 heißt: "Der Lehrer, Heimatforscher und hochrangige NS-Rassekundler Willi Klenck preist nicht nur im 'Niedersachsen-Stürmer' die 'Vernichtung des Judentums' als 'Gebot der Selbsterhaltung', sondern legt selber zwecks 'sippenkundlicher Bestandsaufnahme' genealogische Datensammlungen an. Karten mit einem 'F' als Hinweis auf 'fremden Blutseinschlag (Juden, Neger, Zigeuner)' werden in Kopie an den 'Kreissachbearbeiter' weitergereicht."

Ursprünglich sollten die Schüler-Recherchen beim Adventsbasar der Schule am heutigen Donnerstag, 15. Dezember, 17 bis 20 Uhr, gezeigt werden. Doch nach neuestem Stand soll das Thema Klenck heute dem vorweihnachtlich gestimmten Publikum vorenthalten werden; gemunkelt wird an der Schule über eine Intervention von außen.

Immerhin: Eine andere Schüler-Arbeit über das einstige Kriegsgefangenenlager und Ausweich-KZ in Sandbostel an der Oste soll in der "Schule mit Courage" heute ausgestellt werden, Klenck ist nun als Thema einer gesonderten Ausstellung im neuen Jahr vorgesehen.


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