"Neuen Erkenntnissen
Geltung verschaffen"

Wir sprachen mit Jochen Bölsche.
Buchholzer Zeitung, 8. August 1982


Von BZ-Redakteur Winfried Birkenfeld

»Wenn ich etwas dazugelernt habe«, sagt der in Buchholz lebende »Spiegel“-Redakteur Jochen Bölsche, »dann möchte ich auch für mich persönlich Konsequenzen daraus ziehen«. Diese Haltung hat den 37-jährigen Journalisten im Laufe der Jahre zu einem engagierten Umweltschützer werden lassen, der nicht zuletzt hier im Landkreis dem Natur- und Umweltschutz starke Impulse gegeben hat... Sein bisher letztes Buch, »Natur ohne Schutz«, ist im März dieses Jahres erschienen und hat inzwischen die dritte Auflage erreicht. Anlass für das »Stadt-Gespräch«, sich einmal mit dem Autor über seine Sicht der Dinge zu unterhalten.

Der 37-jährige Journalist hat erkannt, daß ihm das Talent verliehen wurde, eine breite Öffentlichkeit wirksam auf notwendige Aufgaben hinzuweisen. Dieses Talent will und wird er auch weiterhin nutzen, denn »ich betrachte es als meine Aufgabe, Zukunftsthemen mehrheitsfähig zu machen«.

Die ersten 37 Jahre

Jochen Bölsche, verheiratet, zwei Kinder, ist Jahrgang 1945. Seine Heimatstadt ist Lehrte. Lächelnd weist er darauf hin, dass Lehrte »wie Buchholz« eine Eisenbahnerstadt ist. Den Schienensträngen und vor allem den alten Dampfrössern gehört, wie in fernen Kindertagen, seine ganze Zuneigung.

Nach einem kurzen Volontariat bei der »Hannoverschen Allgemeinen« ging Jochen Bölsche zum »Spiegel«, wo er der jüngste Redakteur wurde. Weltweit, wie er betont… Den Journalisten Jochen Bölsche zeichnet in hohem Maße geistige Beweglichkeit aus. Dennoch hat er im Beruf auch ein erstaunliches Beharrungsvermögen gezeigt. Von Anfang an war er beim »Spiegel« im Deutschlandressort. Dort sitzt er noch immer. Inzwischen allerdings als einer der leitenden Redakteure.

Er findet, dass er zu den Privilegierten gehört. Sein Verlag bezahlt den passionierten Zeitungsleser u.a. dafür, dass er seiner Leidenschaft frönt. Täglich arbeitet sich Jochen Bölsche durch ein Dutzend deutscher Zeitungen. Die intensive Lektüre öffnet ihm oft früher als anderen die Augen. Immer wieder reizte es ihn dann, das als richtig Erkann¬te zumindest in seiner unmittelbaren Umgebung zu verwirklichen. Etwa als Mitinitiator der »Buchholzer Ferienwochen« (später bekannt als »Kind in Buchholz«).

Ob es ohne ihn in Buchholz ein Jugendzentrum gäbe bzw. so früh gegeben hätte, ist zumindest fraglich. Zu seinen er-sten kommunalpolitischen Forderungen gehörte ein Mieterverein. Wie richtig er mit dieser Forderung lag, zeigen heute die Mitgliederzahlen. Einer breiteren Öffentlichkeit ist Jochen Bölsche durch zwei Buchveröffentlichungen und mehrere »Spiegel«-Titelgeschichten bekanntgeworden. In seinem ersten Buch, erschienen im Juni 1979. beschäftigte er sich mit den Gefahren des Datenmissbrauchs. »Der Weg in den Überwachungsstaat« hieß das Buch.

Geradezu Furore machte die »Spiegel«-Serie über den sterbenden Wald. Seit November 1981 ist der »saure Regen«, die Ursache für das Baumsterben, zu einem geflügelten Wort geworden. Eine ganze Nation horchte auf. Viele nahmen zum ersten Mal Umweltprobleme ernst. Außerordentliche Resonanz fand auch seine neue Serie »Natur ohne Schutz«. Unter dem gleichen Titel erschien das zweite Buch. Inzwischen sind davon 30.000 Exemplare gedruckt.

In den Jahren 1974 bis 1978 und 1980 bis 1981 war Jochen Bölsche Vorsitzender des Buchholzer SPD-Ortsvereins. Gegenwärtig bekleidet er das Amt eines Zweiten Vorsitzenden bei den Naturfreunden. In dieser Eigenschaft hat er, mit Unterstützung Gleichgesinnter, die Gründung eines Kreisnaturschutzringes erfolgreich betrieben. Dort sind nunmehr rund zwei Dutzend Verbände zusammengeschlossen. Zumindest für Niedersachsen ist damit ein ganz neuer Weg der Durchsetzung von Umweltpolitik beschritten worden…

Jochen Bölsche rechnet es sich als persönliches Verdienst an, die sogenannte Langtrasse durch den Stuvenwald nach Kakenstorf verhindert zu haben. Er empfahl seinerzeit, ersatzweise die Möglichkeit einer Kurztrasse zu prüfen. Inzwischen hält er auch eine Kurztrasse für verfehlt. Witzbolde haben dazu vermerkt, nun sei Bölsche sogar gegen die Bölsche-Trasse.


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