"Jetzt fahren wir
die Ernte ein"

Rede von Jochen Bölsche beim
7. Tag der Oste am 20. März 2011

Dieser 7. Tag der Oste ist für uns auch ein Festtag, ein Grund zum Feiern. Wenn ich hier heute zum siebtenmal seit 2005 einen Vortrag halte mit dem Titel "Das Jahr an der Oste", gibt es deutlich mehr Positives zu berichten als in den vorangegangenen Jahren. Lassen Sie es mich so sagen: Nachdem wir sieben Jahre lang den Boden bereitet, ihn gedüngt und gesät haben, können wir nun endlich beginnen, die Ernte einzufahren.

Natürlich halten in unserer relativ abgelegenen und strukturell benachteiligten Region viele bedrückende Negativtrends weiter an: die Abwanderung, die Überalterung, die kommunale Finanznot. Aber wir haben, meine ich, auch Anlass zu hoffen.Um mit Hölderlin zu sprechen: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.

Nehmen wir die AG Osteland. Unser Verein ist vor acht Jahren im Fährkrug in Osten von zehn Frauen und Männern gegründet worden. Seither haben wir 420 weitere Mitglieder hinzugewinnen können. Die AG Osteland hat sich damit zu einer breit aufgestellten und weithin wahrgenommenen Interessenvertretung entwickelt, wie sie deutschlandweit beispiellos ist: Nirgendwo sonst im Einzugsbereich eines Flusses sind sämtliche Akteure unter einem einzigen  Dach organisiert, grenzübergreifend, parteiübergreifend: Heimatfreunde ebenso wie Wassersportler, Bürgermeister und Gastronomen, Touristiker und Landvolk, Sportfischer und Jäger, Deichgrafen und Naturschützer, Förster und Schriftsteller - allesamt vereint in dem Bemühen, unsere Region kulturell, touristisch und ökonomisch zu stärken, ein Gebiet, das mit 1500 Quadratkilometern immerhin größer  ist als Hamburg und Berlin zusammen.

Unsere gemeinsame Arbeit, meine Damen und Herren, hat begonnen, sich auszuzahlen. Einige Erfolge konnte ich bereits in meinem Rechenschaftsbericht in unserer jüngsten Jahreshauptversammlung anführen - von der Rettung des Baljer Leuchtturms (nicht zuletzt aufgrund der Aktivitäten unserer dortigen Freunde und Mitglieder um Eckard Klitzing und das Ehepaar Gebhardt) bis hin zu den aktuellen Bemühungen, für die letzten Schwebefähren den Weltkulturerbetitel der Unesco zu erlangen - nach dem Vorbild der "Mutter aller Schwebefähren" in Bilbao.

Ich beschränke mich heute darauf, Ihnen zwölf neue gute Nachrichten zu übermitteln.

Die erste betrifft die Deutsche Fährstraße, die wir 2003 konzipiert und 2004 eröffnet haben. Unsere Arbeit ist nicht nur kürzlich von der Deutschen Zentrale für Tourismus als "vorbildlich" gewürdigt worden - die Fährstraße wird auch durch immer neue Attraktionen zusätzlich bereichert: Nach der Eröffnung der Fährstuv in Osten und der Internationalen Fährmeile in Hemmoor 2009, nach vielen großartigen Aktivitäten rund um die Prahmfähre in Brobergen und nach der Einweihung eines 1:2-Fährmodells in Oberndorf 2010 steht dort nun in Kürze ein neues Ereignis an: Bei einem großen Fährfest am 2. April wird der Oberndorfer Bürgermeister Detlef Horeis eine Doppelstatue enthüllen, die von Spendern aus den Reihen der AG Osteland mit finanziert worden ist und die einen Fährmann in traditioneller Tracht sowie einen berühmten Fährgast zeigt, den Freiheitsdichter Hoffmann von Fallersleben, der einst auch in Oberndorf Zuflucht vor politischer Verfolgung fand - ein großartiges Projekt eines kleinen Dorfes, das mit Tatkraft und Ideen um eine touristische Zukunft kämpft.

Die zweite gute Nachricht: Am 7. Mai soll die letzte Lücke in der Kette der Fahrgastschiffanleger an der Oste geschlossen werden. Vor fünf Jahren habe ich - ohne allzu große Hoffnungen zu hegen - der Landesregierung ein Osteland-"Programm 2006" zur Förderung des Wassertourismus übermittelt  - unter anderem mit der Forderung nach Großanlegern für Balje, Oberndorf, Osten, Hechthausen und Großenwörden. Was wir damals kaum zu hoffen gewagt haben: Mit Hilfe der EU und etlicher anderer Instanzen - u. a. auch unserer treuen Sponsoren Hildegard Both-Walberg und Jochen Walberg von der Elbfähre Glückstadt-Wischhafen - wird dieses Programm praktisch abgehakt sein, wenn der Großenwördener Bürgermeister Bernhard Witt den dortigen neuen Anleger eingeweiht hat. Für diese tourismuspolitische Großtat sind wir allen Beteiligten in den Rathäuser sowie in Hannover, Berlin und Brüssel zu Dank verpflichtet.

Die dritte gute Nachricht: Seit genau fünf Jahren gibt es nun schon das "Krimiland Kehdingen-Oste". Unser Projekt zur Literatur- und Tourismusförderung haben Presse, Funk und Fernsehen - zum Beispiel der Funkautor Jörn Freyenhagen - schon dutzendfach zum Anlass genommen, auf unsere Region hinzuweisen; vorletzte Woche hat erstmals sogar ein ausländisches Blatt, die "Wiener Zeitung", darüber berichtet. Um stets frischen Stoff für neue Krimilesungen und Krimiexkursionen müssen wir uns nicht sorgen: Drei unserer bisherigen Oste-Kulturpreisträger - Wilfried Eggers, Thomas B. Morgenstern und Wolfgang Röhl - haben noch für dieses Jahr das Erscheinen neuer Regionalkrimis angekündigt. Wir freuen uns darauf.

Die vierte gute Nachricht haben wir Männern wie den heute hier anwesenden Deichgrafen / Deichgrefen Heino Schmidt aus Osten vom Deichverband Kehdingen-Oste und Hans Wilhelm Saul aus Hemmoor vom  Ostedeichverband zu verdanken (mit dem wir übrigens für den Herbst eine gemeinsame Veranstaltung planen). Die beiden Deichverbände haben im Zuge ihrer energisch vorangetriebenen Unterhaltungs- und Neubauarbeiten begonnen, in Kranenburg und in Basbeck sogenannte wanderfischgerechte Pumpwerke zu bauen bzw. zu konzipieren. Unterdessen bemüht sich die Samtgemeinde Sittensen, ihren Abschnitt der Oberen Oste "fischdurchgängig" zu machen. Die Beteiligten unterstützen damit die Aktivitäten der fast 8000 Sportfischer an der Oste, mit denen gemeinsam wir eine Arge Wanderfische gegründet haben, um die Wiederansiedlung von Stör, Lachs und Meerforelle zu fördern - ein übrigens weltweit verfolgtes Vorhaben, das unserem Fluss immer wieder auch zu starker Beachtung in der Anglerpresse verhilft. Unser Dank gilt hier so unermüdlichen Männern wie den Sportfischern und Ostepreisträgern Wolfgang Schütz aus Osten und Egon Boschen aus Lamstedt, die ebenfalls unter uns sind.

Die fünfte gute Nachricht betrifft den wachsenden Widerstand gegen den Trend zur Monotonisierung der Landschaft an der Oste durch großräumigen Energiemaisanbau - eine für Flora und Fauna fatale Entwicklung, vor deren Folgen für die Artenvielfalt und das Landschaftsbild insbesondere zwei unserer Mitglieder frühzeitig gewarnt haben: Gerhard Klotz aus Hemmoor, Vorsitzender der Hadler Jägerschaft, und Uwe Baumert aus Deinstedt, Landes-Vize des Naturschutzbundes (NABU), der hier heute durch Hans-Hermann Tiedemann aus Bremervörde vertreten ist. Die Bundesregierung hat mittlerweile angekündigt, die Übersubventionierung der Biogaserzeugung abzubauen. Und vorletzte Woche ist in Celle ein von Uwe Baumert entworfener wegweisender Zehn-Punkte-Vertrag zwischen dem NABU und einem der größten niedersächsischen Biogasproduzenten unterzeichnet worden, der auf die Herstellung von "naturverträglichem Biogas" abzielt. Das lässt uns hoffen.

Die sechste gute Nachricht: Das Wanderwegenetz an der Oste wird in diesen Wochen weiter komplettiert. Der Kreis Rotenburg mit der Oberen Oste hat sich das Ziel gesetzt, zur deutschen "Flachland-Wanderregion Nummer eins" zu werden und gemeinsam mit uns und der Leader-Region Börde Oste - Wörpe eine flussbegleitende Osteroute einzurichten - in Verlängerung der Deutschen Fährstraße von Bremervörde bis zur Quelle bei Tostedt. Die Samtgemeinde Am Dobrock wiederum hat bekanntlich bereits  2009 unsere Niedersächsische Milchstraße Nord eröffnet, rund um die Gläserne Molkerei Hasenfleet, die hier heute mit ihrer gesamten Führungsspitze vertreten ist. Und in Kürze kann nun auch der Historische Deichwanderweg Belum - Osten offiziell eingeweiht werden, den u. a. unsere Mitglieder Henning Kuhne, Dorothee Fetz, Ursula Schroeder und Günter Lunden sowie Frank Auf dem Felde in Kooperation mit dem Wingst-Touristiker Michael Johnen erarbeitet haben.

Die siebte gute Nachricht: Ebenfalls in diesem Jahr steht eine Aufwertung des Wassersportreviers Oste an. Vorgesehen ist die die Markierung aller Anlegestellen nach dem weitverbreiteten Info-System Gelbe Welle. Demnächst folgen Veröffentlichungen im internationalen Wassersportführer "Sejleren's". Fortgesetzt werden die Aktivitäten unseres Arbeitskreises Blaues Netz Oste um Bernd Jürgens, Eddy Uhtenwoldt und andere mit Werbetafeln und Tischsets für den "Fluss, der alles hat", mit Flaggen und Wimpeln mit dem Slogan "Lust auf Osteland"  usw. sowie mit dem frisch aktualisierten "Oste-Hafenführer", von dem wir bis Ende des Jahres insgesamt 7000 Exemplare in ganz Norddeutschland verbreiten wollen.

Die achte gute Nachricht: Schon in den nächsten Wochen werden Touristen erstmals sogenannte "Oste-Natur-Navis" ausleihen können, speziell programmierte GPS-Geräte, die zwischen Bremervörde und Hechthausen auf einer Strecke von 30 Flusskilometern über naturkundlich und technikgeschichtlich interessante Punkte informieren. Konzipiert hat das hochinteressante Projekt unser Mitglied Christian Schmidt, Journalist und Biologe, im Auftrag des Vereins zur Förderung von Naturerlebnissen von Uwe Seggermann, dem Leiter des Naturschutzamtes des Landkreises Stade, der auch schon die Projekte Moorkieker, Tidenkieker und Vogelkieker verwirklicht hat; beide können wir heute ebenfalls willkommen heißen.

Die neunte gute Nachricht: Unsere von Albertus Lemke aus Oberndorf angeregte Aktion "Wir an der Oste" zur Förderung des Binnentourismus zwischen Ober- und Unterlauf macht gute Fortschritte. Niemals zuvor haben z. B. so viele Vereine aus dem Raum Sittensen / Selsingen / Zeven Fahrten mit dem Oste-Oldtimer Mocambo gebucht wie in diesem Jahr, während hier an der Unteren Oste wiederum das Interesse wächst, den Oberlauf kennenzulernen. So wird die Obere Oste - um ein vorbildliches Beispiel zu nennen - am Ostermontag Ziel einer Wandertour des TSV Oberndorf mit 60 Teilnehmern sein, vorbereitet mit Hilfe des Vereins Landtouristik Selsingen und unterstützt von der Molkerei Hasenfleet.

Die zehnte gute Nachricht: Bereits in den letzten sieben Jahren haben Osteland-Mitglieder und Ostepreisträger wie Elke Loewe, Grit Klempow, Wolf-Dietmar Stock und Gisela Tiedemann-Wingst mit Buchveröffentlichungen über die Oste das zuvor karge literarische Angebot über unseren Fluss enorm bereichert. Heute freuen wir uns darauf, dass wir am 22. Mai in Gräpel einen weiteren von unserem Verein herausgegebenen Titel öffentlich vorstellen können: ein neues Buch von Gisela Tiedemann über die Geschichte der Fähren an der Oste. Es erscheint in dem für unsere Oste stark engagierten Verlag Atelier im Bauernhaus von Wolf Dietmar Stock, dessen Verlag dieses Jahr sein 35-jähriges Bestehen feiert. Herzlichen Glückwunsch, lieber Wolf Dietmar Stock!

Die elfte gute Nachricht: Im geografischen Zentrum des Ostelandes, in Bremervörde - das heute u. a. durch seinen Bürgermeister Eduard Gummich vertreten ist - , keimen zur Zeit viele neue kulturelle und kommunalpolitische Ideen, die wir mit Freude verfolgen. Ich nenne beispielhaft die Anregung unseres Ostefreundes, Vizelandrats und Tourismusstrategen Reinhard Brünjes, ein städtisches Kulturzentrum mit Galerie in Bremervörde zu schaffen; ferner das am Ostersonntag anlaufende mehrmonatige Festprogramm zum 20-jährigen Bestehen des Natur- und Erlebnispark an der Oste; außerdem die kürzlich vom Bremervörder Kultur- und Heimatkreis entwickelten Visionen für ein "pulsierendes, blühendes, wachsendes Gemeinschaftsleben" sowie die Einrichtung von vier zusätzlichen Ortsräten, mit der sich in dieser Ostestadt die Chance zu mehr Bürgernähe und mehr Bürgerbeteiligung bietet.

Und schließlich die zwölfte gute Nachricht: Als wir 2005 einen der ersten Goldenen Hechte an den Historiker Dr. Klaus Volland für dessen Forschungsarbeiten über das Kriegsgefangenenlager und Ausweich-KZ Sandbostel verliehen haben, da waren Pläne, dort eine würdige Gedenk- und Dokumentationsstätte einzurichten, noch heftig umstritten. Inzwischen wird das Projekt von allen politischen Kräften mitgetragen und Schritt für Schritt verwirklicht - und das nicht zuletzt dank der beharrlichen Arbeit vieler Aktiver wie unserem Mitglied Karl-Heinz Buck von der Stiftung Lager Sandbostel, die auf dem einstmals vergessenen historischen Gelände an der Oste letztes Jahr bereits über 7800 Besucher aus dem In- und Ausland registrieren konnte.

Dr. Klaus Volland und die übrigen mehr als 50 Ostepreisträger bilden eine Art Ehrenlegion des Ostelandes. Die Namen dieser Männer und Frauen - und ihre Verdienste - sind in einem druckfrischen "Goldenen Buch der Oste" enthalten, das unmittelbat nach der heutigen Ehrung an unserem Info-Tisch erworben werden kann. - Meine Damen und Herren, Sie sehen: Unser Osteland lebt.
 

www.tag.der.oste.de
www.osteland.de





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