Festrede von Jochen Bölsche,
2. Vorsitzender der AG Osteland
e. V.,
beim 2. Tag der Oste in Bremervörde
�Das Jahr an der Oste� ist mein Thema. Als ich vor zwölf Monaten, beim 1. Tag der Oste, gesprochen habe, hieß mein Fazit: �Das Jahr 2004 war ein gutes Jahr für die Oste � ein Jahr des Aufbruchs�. Um mein heutiges Resümee vorwegzunehmen: Auch 2005 war ein gutes Jahr � wir haben die ersten Früchte des Aufbruchjahres 2004 ernten können.
Das Osteland, das Einzugsgebiet der Oste, als dessen Lobby wir uns verstehen, ist 1700 Quadratkilometer groß, größer noch als Hamburg und Berlin zusammen. Meine notgedrungen kompakte Bilanz kann daher nur einige wichtigsten Entwicklungen ansprechen.
Eines vorweg: Noch vor zwei Jahren, als die AG Osteland gegründet wurde, war vom �unbekannten Fluß� die Rede, der �im Dornröschenschlaf� liege. Heute läßt sich sagen: Dornröschen ist erwacht, und es hat mehr Verehrer denn je � ohne nun allerdings gleich zum touristischen Superstar geworden zu sein.
Jedenfalls ist in keinem Jahr zuvor ist in Presse, Funk und Fernsehen so viel über die Oste berichtet worden. Nicht nur, dass mehrfach der ARD-Klassiker �Zwischen Moor und Marsch� wiederholt worden ist, auch im mdr-Fernsehen und auf N 3 wurden die Reize der Region mehrfach zur Schau gestellt, teils zur besten Sendezeit.
Momentan übrigens ist ein �Nordtour�-Beitrag über die Oste, den �Fluß der Wohnmobile�, in Arbeit. - Auch im modernsten aller Medien, im Internet, ist die Oste mehr und mehr vertreten:
Genannt seien hier nur neben unserer Vereins-Website osteland.de die großartige heimatgeschichtliche Seite ostechronik.de von Hartmut Jungclaus aus Burweg-Bossel und das umfassende Linkverzeichnis osteweb.de von Karl-Heinz-Brinkmann aus Osten, beide Mitglieder der AG Osteland.
Vor allem aber ist unsere Region � die zuvor für manch einen im toten Winkel gelegen hat � verstärkt ins Blickfeld der Politik geraten. So hat kein Geringerer als der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff kürzlich auf Vermittlung der AG Osteland die Schirmherrschaft über die Europa-Kutschtour unserer Mitglieder Christiane und Jürgen Reimer aus Hechthausen übernommen.
Die beiden wollen als offizielle �Botschafter des Ostelandes� sechs Monate lang in sechs europäischen Ländern für unsere Region werben.
Zudem hat Heiner Ehlen, der niedersächsische Minister für den ländlichen Raum, nicht nur persönlich in Drochtersen das Verfahren zur Aufstellung des �Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzepts� (Ilek) Kehdingen/Oste eröffnet, das durch Siegfried Diercken vom Amt für Landentwicklung vertreten wird.
Der Minister hat auch die Schirmherrschaft für unsere Wanderausstellung �Malerische Oste� übernommen, die vom Mai an in Bremervörde, Neuhaus und Sittensen gezeigt wird und von einem neuen wunderschönen Oste-Buch begleitet wird, beides betreut von unseren Mitgliedern Elke Loewe aus Drochtersen-Hüll � unserer Oste-Kulturpreisträgerin 2005 - und Wolf-Dietmar Stock aus Fischerhude.
Von der Ostequelle bis zur -mündung ist mittlerweile so etwas wie ein �neues Oste-Bewußtsein� zu spüren, das nicht zuletzt zu einer Verdoppelung unserer Mitgliederzahl gegenüber dem Vorjahr geführt hat.
Zu den Neueintritten zählen Landkreise (zuletzt Cuxhaven), Gemeinden (zuletzt Großenwörden), Wirtschaftsunternehmen (zuletzt die Elbfähre Glückstadt � Wischhafen), ...
...Vereine (zuletzt die Oste-Pachtgemeinschaft, die tausende von Anglern vertritt) und viele Einzelmitglieder � das jüngste übrigens ist der 14-jährige Philipp Steiger aus Schneverdingen, der ein Oste-Poster geschaffen hat, von dessen Erlös er einen Euro pro Exemplar unserer AG Osteland stiftet.
Das neue Oste-Bewußtsein äußert sich aber auch in dem Zuspruch, den die Themenexkursionen in unserer Reihe �Unbekannte Oste� finden; für 2005 und 2006 wurden insgesamt neun Touren ausgearbeitet.
Die nächste Veranstaltung � Thema: �Die Oste, Fluß der Dichter�, auf den Spuren von Peter Rühmkorf und Walter Kempowski � war praktisch über Nacht ausgebucht.
Fortgesetzt wurden 2005 auchen die vielfältigen Bemühungen, die Oste-Region bekannter zu machen � unter anderem mit ehrenamtlich betreuten Ständen auf rund einem Dutzend Messen und Festen, mit Newslettern, Pressemitteilungen, bislang mehr als 50 Vorträgen und Präsentationen und mit 100 000 neuen Flyern, die vom Arbeitskreis Tourismus der AG Osteland entworfen und vom Amt für Landentwicklung in Bremerhaven, der Stadt Bremervörde und den Samtgemeinden an der Unteren Oste finanziert worden sind.
Parallel zur Werbung für die Region wurde die touristische Infratruktur ausgebaut, besonders eindrucksvoll im Kreis Rotenburg. Erwähnt sei hier nur der im April eröffnete 150 Kilometer lange Radfernweg Hamburg � Bremen, der die Oste bei Sittensen quert und der unter anderem das Kloster Zeven, das Handwerkermuseum Sittensen und das Tister Bauernmoor mit der Moorbahn erlebbar macht; um den Radweg hat sich insbesondere einer unserer heutigen Referenten, der Tourow-Geschäftsführer Udo Fischer, große Verdienste erworben.
Zugleich wurde im vorigen Jahr auch die Deutsche Fährstraße Bremervörde - Kiel, die im Mai 2004 mit Unterstützung der Volkbanken eröffnet worden ist, weiter ausgebaut.
Die Radwege- und Autorouten-Ausschilderung im niedersächsischen Teil ist inzwischen abgeschlossen, der Brückenschlag nach Glückstadt vollzogen.
Im Mai wird das Teilstück Brunsbüttel � Kiel von unserem Kooperationspartner im Norden, der Tourist-Info Nord-Ostsee-Kanal unter Leitung unseres Mitglieds Monika Heise, feierlich eröffnet.
Der Empfehlung einer Studie der Universität Kiel folgend � Autorin ist Sylvia Bochmann, Osteland-Preisträgerin 2005 � , haben wir uns bemüht, die anfangs noch relativ schwache Verklammerung des Nord- und Südteils der Deutschen Fährstraße zu verstärken.
Während wir an der Oste für Urlaub am Kanal werben, wird nun in schleswig-holsteinischen Veröffentlichungen verstärkt für die Oste geworben.
Auch die von unseren beiden Mitgliedern Carsten Hubert und Jörg Sibbel, den Bürgermeistern von Osten und Osterrönfeld, vereinbarte Partnerschaft zwischen den beiden Schwebefähren-Gemeinden hat mit vielen Besuchen und Gegenbesuchen bereits dazu beigetragen, die Achse Oste � Ostsee zu stärken; beim 1. Ostener Fährmarkt am 28. Mai soll die Partnerschaft offiziell besiegelt werden.
Große Hoffnungen setzen wir auch in den künftigen nationalen Schwebefähren-Dachverband, der sich im April in Form eines Arbeitskreises innerhalb der AG Osteland konstituieren wird. Der Arbeitskreis, dem unter anderem unser Mitglied Andreas Breitner, Bürgermeister von Rendsburg, angehört, wird unter anderem die Frage prüfen, ob für die deutschen Schwebefähren der Weltkulturerbe-Status der Unesco angestrebt werden soll.
Dieses Prädikat, das noch in diesem Jahr der spanischen Schwebefähre bei Bilbao zuerkannt werden soll und auch für die Schwebefähre in Buenos Aires angestrebt wird, würde dem gesamten Osteland zu einem enormen touristischen Aufschwung verhelfen.
Die Restaurierung des nationalen Baudenkmals Schwebefähre Osten � Hemmoor, des herausragenden Wahrzeichens an der Oste, ist 2005 praktisch abgeschlossen worden � nicht zuletzt dank des unermüdlichen Einsatzes unseres Mitglieds Birgit Greiner vom Landkreis Cuxhaven, die dafür letztes Jahr mit dem Goldenen Hecht ausgezeichnet worden ist.
Bei der Wiederinbetriebnahme der Schwebefähre am 21. April wird auch die neue, ausschließlich von Sponsoren finanzierte Beleuchtungsanlage installiert sein, für deren Realisierung die AG Osteland mit ihrer Tischsammlung beim 1. Tag der Oste in Hechthausen und mit den Erlösen einer Sondermarke mit der Gräpeler Prahmfähre den größten Einzelbeitrag beisteuern konnte.
Der Vorsitzende und der Schatzmeister der Ostener
Fördergesellschaft, unsere Mitglieder
Horst
Ahlf und Peter Burmester,
lassen dafür danken.
Als nächste Herausforderung kommt auf uns
die Notwendigkeit zu, die Schwebefähre durch ein Besucherzentrum,
eine Art Fähr- und Flußmuseum,
zu ergänzen.
Neben Schwebe- und Prahmfähren, den Alleinstellungsmerkmalen unseres Raumes, zählen der Vörder See mit seinen diversen Attraktionen und das Natureum Niederelbe in Balje mit kontinuierlich ausgebauten Programmen zweifellos zu den Hauptanziehungspunkten unserer Region � und das mehr denn je, wenn erst das Fahrgastschiff Mocambo, das Rückgrat des Wassertourismus an der Unteren Oste, nicht nur in Bremervörde anlegen kann, sondern, dank des im Bau befindlichen neuen Anlegers, demnächst auch in Balje.
Mit Hoffnung erfüllen uns auch die vielen Projekte zur Förderung des Boots- und Fahrradtourismus, mit denen die Untere Oste im Begriff ist, ihren Nachholbedarf gegenüber der Oberen Oste abzubauen. Stichworte sind der Alte Hafen in Neuhaus, das Sanitärgebäude in Oberndorf, neue Schiffsanleger in Osten und eventuell auch in Großenwörden und die neue Aussichtsplattform in der ausgedeichten Osteschleife Hechthausen.
Das Beispiel Hechthausen - wie im übrigen auch der Gemeinde Großenwörden - zeigt, dass es durchaus möglich ist, die Belange von Deichbau, Landwirtschaft, Ökologie und Tourismus auf einen Nenner zu bringen.
Eben dies sollte auch bei Laumühlen möglich sein, wo die Sportangler um den Zugang zu ihrem Pachtgewässer Oste fürchten und wo fruchtbare Gespräche begonnen haben, ebenso wie bei Nindorf/Brobergen, wo es gilt, die historische Fährstelle zu erhalten; eine demnächst zu verhandelnde Kompromißvariante deutet auf eine alle Seiten zufriedenstellende Lösung hin.
Natürlich bleiben noch Wünsche offen � zum Beispiel nach Fahrgastschiffanlegern in Klint und Hemmoor sowie nach passenden, niedrigbordigen Anlegern für Kanu- und Kajakfahrer und nach Zeltmöglichkeiten entlang der Tideoste nach dem Beispiel der Oberen Oste.
Zu hoffen ist, dass nach der Schließung der Jugendherberge in Bremervörde möglichst bald das geplante Jugendhostel zur Verfügung steht...
...und dass es auch anderswo zu so fruchtbarer wie vorbildlicher überörtlicher Kooperation zwischen Kommunen und Touristikern kommt wie in Nordkehdingen und Drochtersen einerseits und in Himmelpforten und Oldendorf andererseits.
Mit großer Freude haben wir im vorigen Jahr ein wachsendes Interesse an der Heimatgeschichte des Ostelandes registriert, das sich nicht nur in steigender Nachfrage nach Heimatliteratur äußert � und dazu gehören heute auch Regionalkrimis � , sondern auch in der Zahl der Anmeldungen zu einschlägigen Exkursionen.
Dass Heimatpflege mehr ist als Heimattümelei, zeigt das erfreuliche Beispiel Sandbostel, wo nahezu alle Verantwortlichen nun gemeinsam den Weg beschritten haben zu einem angemessenen Gedenken an die ungezählten Opfer des einstigen Kriegsgefangenen- und KZ-Ausweichlagers.
Ebenso läßt sich ein verstärktes Interesse für den Naturschutz im Osteland beobachten. Das reicht von der Freude über die ansehnlichen Artenschutzerfolge der Sportangler, die endlich die angemessene öffentliche Würdigung erfahren, über die Besorgnis um das Schwarzerlensterben an der Oberen Oste bis hin zu den Bemühungen um die Verbesserung der Gewässerqualität; dazu wird unsere Festrednerin Dorothea Altenhofen sprechen.
Vor der AG Osteland und allen Mitstreitern in Politik, Wirtschaft und Vereinsleben liegen in diesem Jahr wichtige Aufgaben: zu allererst, den Bekanntheitsgrad des Ostelandes weiter zu erhöhen, dazu vermehrt touristische Packages, Rund-um-sorglos-Pakete, auch für die Untere Oste zu entwickeln, wie es unsere Mitglieder Monika und Peter Prüß vom ADFC-Kreis Cuxhaven im vorigen Jahr in vorbildlicher Weise für die gesamte Deutsche Fährstraße getan haben...
... und die Planung der Küstenautobahn A 22 kritisch zu begleiten, damit nicht ausgerechnet die ökologisch und touristisch wertvollsten Teile der Flußlandschaft zerstört werden.
Am Ende bleibt eine große Sorge, die uns alle erfüllt: Teile des Ostelandes sind in besonderer Weise betroffen vom demographischen Wandel, von Abwanderung, Überalterung und Arbeitsplatzverlust. Die Wirtschaftskraft gleicht nach jüngsten Untersuchungen etwa der im Raum Rostock. Daraus folgert: So berechtigt es war, Milliarden in den Aufbau Ost zu investieren, so berechtigt ist die Forderung nach einer Art �Aufbau Oste�.
Da reicht es nicht, EU-Millionen für den Altbezirk Lüneburg zur Verfügung zu stellen � sie müssen auch genau dort landen, wo sie im dringendsten benötigt werden. Und das sind ausgerechnet diejenigen Gemeinden, denen es am schwersten fällt, genügend Eigenmittel für die Kofinanzierung aufzubringen. Und von diesen Gemeinden gibt es gerade entlang der Oste etliche.
Dennoch denke ich, dass wir auch hier voran kommen können � wenn wir weiter wie bisher zusammenarbeiten: über Vereins- und Parteigrenzen, über Gemeinde- und Kreisgrenzen hinweg, egal ob wir von der Oberen oder der Unteren Oste kommen, vom linken oder vom rechten Flußufer.