Erinnerungen eines Sohnes der Oste,
aufgeschrieben von Bernhard Hellwege,
Oldendorf, Juli 2004
Saftige Wiesen und Weiden im Ostetal waren beliebte Spielplätze und Aufenthaltsorte in der Schulzeit. In der "Schleusenkuhle" an der Oste brachte ich mir das Schwimmen bei. Bald schaffte ich auch die sehr anstrengende Ostequerung hin und zurück. Der Winter bescherte uns riesige Eisflächen zum Eislaufen und für Schlittenfahrten, weil die "Schotten" im Deich geöffnet wurden, um den fruchtbaren Osteschlamm als kostenlose Düngung für die Wiesen zu verwerten.
Dafür war mein Vater als Deichgraf zuständig. Durch dieses Amt musste er sich auch mit der Not und den Gefahren der Sturmfluten befassen. Unser Lehrer Hinrich Decker wählte als Ziel bei den Schulausflügen besonders gern die Ziegelei Echternkamp im "Brook", oft aber auch die Oste. Die stolzen Ewer mit ihren braunen Segeln weckten schon damals meine Sehnsucht, mit so einem Schiff in die weite Ferne zu fahren.
Auf der anderen Seite der Oste angekommen, hasteten wir meist auf der Deichkrone, dann durch den Ort Klint nach Hechthausen zur Kirche. Dort gab sich Pastor Gossel, ein gebürtiger Ostfriese, viel Mühe mit uns. Gelegentlich musste von uns Sündern eine Ohrfeige eingesteckt werden.
Doch auch die längsten Unterrichtsstunden
gehen einmal zu Ende. Für uns hieß das: Auf dem schnellsten
Wege zum Bäcker Wunderlich, heute Daetz. Wegen der längeren Abwesenheit
von zu Hause bekam ich damals 1 Groschen mit. Der reichte gerade für
2 "Muusschüllen", eine Art Schneckengebäck, die mich restlos
glücklich machten. Gelassen traten wir dann den Rückweg an. Aber
wenn beim Geesthof in Klint, Besitz derer von Marschalck, die Nüsse
und Esskastanien reif waren, war die Versuchung groß, und es konnte
geschehen, dass einige der Früchte in unseren
Taschen landeten.
Diese wöchentlichen Fährabenteuer endeten 1926, denn Cranenburg wurde umgepfarrt nach Oldendorf. Jetzt war Radfahren angesagt. Das konnte ich aber noch nicht . Zu der Zeit gab es nur ein Herrenfahrrad in meinem Elternhaus, Marke Burgsmüller aus Bad Harzburg. Das stand auf dem Flur. Ich durfte es noch nicht mal anfassen. Weil aber meine Mitkonfirmanden, um nach Oldendorf zu gelangen, ein Fahrrad zur Verfügung bekamen, überließ man mir das wertvolle Stück doch zum Üben. Das allerdings war nicht so einfach. Meine kurzen Beine reichten noch nicht vom Sattel zu den Pedalen, so dass ich unter "der Stange durch" üben musste. Das alles nahm ich trotz der Stürze am Rande der Sandkuhle gerne in Kauf.
Bis die Konfirmation am Gründonnerstag 1927 mit Pastor Hittmeyer, den wir sehr mochten, gefeiert werden konnte, musste aber auch noch das unvermeidliche Poesiealbum die Runde machen, traditionell in dieser Reihenfolge: Lehrer, Eltern, Geschwister, Mitkonfirmanden und Mitschüler. Der Gründonnerstag war damals ein Feiertag. Für uns 5 Cranenburger Jungen, erstmals in langen Hosen, hieß es deshalb nachmittags Rauchen üben, ganz weit weg vom Dorf, hinten im Kampen an der Oste.
Mitgeteilt von Heinrich Borchers, Kranenburg