Kindheit und Schulzeit
in Cranenburg und Klint

Erinnerungen eines Sohnes der Oste,
aufgeschrieben von Bernhard Hellwege,
Oldendorf, Juli 2004

Mir war eine schöne, unvergeßliche Kindheit an der Oste vergönnt. Geboren wurde ich 1912 in Cranenburg, Plattdeutsch war meine Muttersprache.

Saftige Wiesen und Weiden im Ostetal waren beliebte Spielplätze und Aufenthaltsorte in der Schulzeit. In der "Schleusenkuhle" an der Oste brachte ich mir das Schwimmen bei. Bald schaffte ich auch die sehr anstrengende Ostequerung hin und zurück. Der Winter bescherte uns riesige Eisflächen zum Eislaufen und für Schlittenfahrten, weil die "Schotten" im Deich geöffnet wurden, um den fruchtbaren Osteschlamm als kostenlose Düngung für die Wiesen zu verwerten.

Dafür war mein Vater als Deichgraf zuständig. Durch dieses Amt musste er sich auch mit der Not und den Gefahren der Sturmfluten befassen. Unser Lehrer Hinrich Decker wählte als Ziel bei den Schulausflügen besonders gern die Ziegelei Echternkamp im "Brook", oft aber auch die Oste. Die stolzen Ewer mit ihren braunen Segeln weckten schon damals meine Sehnsucht, mit so einem Schiff in die weite Ferne zu fahren.

Auf der anderen Seite der Oste angekommen, hasteten wir meist auf der Deichkrone, dann durch den Ort Klint nach Hechthausen zur Kirche. Dort gab sich Pastor Gossel, ein gebürtiger Ostfriese, viel Mühe mit uns. Gelegentlich musste von uns Sündern eine Ohrfeige eingesteckt werden.

Doch auch die längsten Unterrichtsstunden gehen einmal zu Ende. Für uns hieß das: Auf dem schnellsten Wege zum Bäcker Wunderlich, heute Daetz. Wegen der längeren Abwesenheit von zu Hause bekam ich damals 1 Groschen mit. Der reichte gerade für 2 "Muusschüllen", eine Art Schneckengebäck, die mich restlos glücklich machten. Gelassen traten wir dann den Rückweg an. Aber wenn beim Geesthof in Klint, Besitz derer von Marschalck, die Nüsse und Esskastanien reif waren, war die Versuchung groß, und es konnte geschehen, dass einige der Früchte in unseren
Taschen landeten.

Es war der Sommer 1926. Eine Mittwoch-Kinderlehre in der Kirche zu Hechthausen stand an. Nach 2 Stunden Unterricht in der Cranenburger Schule bei Lehrer Hinrich Decker eilten wir im Galopp zur Fähre an die Oste. Wir hatten eine heimliche Absprache mit unseren beiden Mädchen getroffen, und alles lief nach Plan. Das abgesprochene Schaukeln im Kahn war recht heftig. Der Fährmann war deshalb sehr ungehalten und schimpfte: "Verdreihte Jungs". Wir hatten aber unsere Freude, weil es viel schöner war als der Unterricht beim Lehrer und beim Pastoren. Als wir später wieder an die Fähre kamen, läuteten wir die Fährglocke, d. h. "Hol över". Aber unser lieber Fährmann kam nicht sofort. Auch wiederholtes Läuten half nicht. Er kam erst nach etwa einer halben Stunde. Äußerlich hielten wir uns ganz "artig".

Diese wöchentlichen Fährabenteuer endeten 1926, denn Cranenburg wurde umgepfarrt nach Oldendorf. Jetzt war Radfahren angesagt. Das konnte ich aber noch nicht . Zu der Zeit gab es nur ein Herrenfahrrad in meinem Elternhaus, Marke Burgsmüller aus Bad Harzburg. Das stand auf dem Flur. Ich durfte es noch nicht mal anfassen. Weil aber meine Mitkonfirmanden, um nach Oldendorf zu gelangen, ein Fahrrad zur Verfügung bekamen, überließ man mir das wertvolle Stück doch zum Üben. Das allerdings war nicht so einfach. Meine kurzen Beine reichten noch nicht vom Sattel zu den Pedalen, so dass ich unter "der Stange durch" üben musste. Das alles nahm ich trotz der Stürze am Rande der Sandkuhle gerne in Kauf.

Bis die Konfirmation am Gründonnerstag 1927 mit Pastor Hittmeyer, den wir sehr mochten, gefeiert werden konnte, musste aber auch noch das unvermeidliche Poesiealbum die Runde machen, traditionell in dieser Reihenfolge: Lehrer, Eltern, Geschwister, Mitkonfirmanden und Mitschüler. Der Gründonnerstag war damals ein Feiertag. Für uns 5 Cranenburger Jungen, erstmals in langen Hosen, hieß es deshalb nachmittags Rauchen üben, ganz weit weg vom Dorf, hinten im Kampen an der Oste.

Mitgeteilt von Heinrich Borchers, Kranenburg

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