Erkundungen  im
"fernen Osten"

Was ist los im "äußersten 
östlichen Zipfel" von Osten?

Unser Bericht über das große Motorradtreffen 2004 des MC Hüll hat einen aufmerksamen Leser nicht ruhen lassen.

Er nahm Anstoß an unserer Formulierung, die  Veranstaltung (rotes Oval) habe "im äußersten östlichen Zipfel von Osten" stattgefunden. Und er hat natürlich recht, wie unsere amtliche Karte mit den Gemeindegrenzen von Osten und Drochtersen (lila Linie) zeigt: Es geht noch östlicher... 

Was ist los im "Fernen Osten" von Osten? 

Der Weg zum östlichsten Punkt der Gemeinde Osten - und zugleich zum östlichsten Punkt der Samtgemeinde Hemmoor wie auch des Landkreises Cuxhaven - ist am leichtesten zu finden, wenn man, von Gehrden kommend, einige hundert Meter hinter dem urigen Gasthaus von Wilfried Bartels ("Winnetou") ...

... vorbei an einem Straßengraben mit Schilf und "Lampenputzern" ....

... der Straße Richtung Dornbusch folgt und dann links in die Scheidung einbiegt.

Der Weg - wie ein grüner Tunnel - führt durch eine verwunschene Gegend ...

... in der heute Grünland vorherrscht, wie dieser Ausschnitt aus einer modernen topographischen Karte zeigt, ...

... wo sich aber noch vor hundert Jahren das  riesige Kehdinger Moor ausbreitete.

Unmittelbar links vom der Weg ist der östlichste Punkt von Osten - ein paar Schrittre hinter dem Punkt, an dem die Scheidung auf den Kartenausschnitten den leichten Knick nach rechts macht...

...und damit ein ganzes Stück weit hinter dieser Ruhebank. Wer's genau wissen will: bei 9°17'53.3'' Ost, 53°43'46.6'' Nord - wenn die Karte nicht trügt.

Mit neugierigen Blicken verfolgen die schwarz-weiß gefleckten Bewohner des "fernen Osten" den Wanderer, ...

... der staunend feststellt, dass die in der amtlichen Karte (ganz oben) lila eingetragene Grenze in natura stellenweise wirklich lila ist.

Die Scheidung, immer an der Gemeindegrenze entlang, führt bis zum Torfwerk an der B 495. Streckenweise trägt sie die Schienen einer stillgelegten Feldbahn. 

Linkerhand liegen auf Ostener Gebiet "Krönckes Tannen" (mit einem kleinen Waldsee mittendrin), die trotz ihrer gerade mal 4,5 Hektar als "das größte Waldgebiet Kehdingens" gelten. 

Rechterhand verläuft parallel zur Gemeindegrenze der Römerweg, an dem Jugendliche sich in einem Bauwagen ihre "Moor-Hölle" eingerichtet haben.

Wer sich von Hüll aus dagegen nach Südosten hält, erreicht über den weiteren Verlauf der Scheidung nach rund sieben Kilometern das Ende der Seestraße in Großenwörden. Hier ist die Scheidung Teil eines Elbe-Weser-Radweges, der allerdings nur bei trockenem Wetter gut zu befahren und zu begehen ist.

Von  der Großenwördener Seestraße aus zieht sich die Scheidung an dem kuriosen östlichen Pfeifenstiel-Ausläufer des Gemeindegebietes (siehe Karte) ...

...entlang an Moorseen bis zum Morrabbaugebiet bei Aschhorn, wo der "Moorkieker" verkehrt. (In Großenwörden wird seit einiger Zeit die Möglichkeit diskutiert, über die Scheidung eine Zuwegung zum "Moorkieker" zu schaffen; eine entsprechende Empfehlung enthält eine Studie zur Dorferneuerung; der Text zur möglichen touristischen Nutzung der Moorregion steht hier.)

Die Scheidung zieht sich als Wasserscheide  durch das gesamte Kehdinger Hochmoor, das sich vor 250 Jahren (siehe Karte oben aus dem Jahre 1769) nahezu unberührt über eine Länge von 22 Kilometern und mit einer Breite von bis zu fünf Kilometern erstreckte - in etwa von Stade bis zur Ostener Sietwende an der Grenze nach Oederquart. 

Heute finden sich in Kehdingen, nach einem Vierteljahrtausend Moorkultivierung, nur noch winzige - um so schützenswertere - Hochmoorreste, von Ökologen so genannte "Heile-Haut-Flächen" (siehe Karte unten).

Dass die Scheidung nicht nur, von Ausnahmen abgesehen, die Wasserscheide zwischen Oste und Elbe markiert, sondern auch (zum Teil bis auf den heutigen Tag) auch eine politische Grenze, an der zeitweise Wegezoll erhoben wurde, zeigt eine alte Tafel mit der "Weggeld Taxee" im Gasthaus Bartels, dem idealen Ausgangs- oder Endpunkt für Spaziergänge auf der Scheidung.

Die Scheidung legt übrigens auch Zeugnis ab über ein Jahrhunderte währendes Ringen zwischen ökologischer Vernunft und Unvernunft. 

Die Altvorderen wussten, dass der Hochmoor-Wall, der bis zu 7 Metern über Normal Null lag, ein idealer Schutz vor dem Elbe- bzw. Oste-Hochwasser war. 

Als der natürliche Schutzwall zwischen Kehdinger Marsch und Ostemarsch mehr und mehr durch den Torfabbau angeknabbert zu werden drohte, legte die Königlich Hannoversche Regierung 1789 eine "Landmark" (später auch Schutzwehr oder Landwehr genannt) durch das gesamte Kehdinger Moor fest, die etwa 140 Meter breit sein sollte und nicht abgetorft werden durfte. 

Doch viele Jahrzehnte lang widersetzten sich die Anlieger den Auflagen, nicht zuletzt im Raum Dornbusch - Hüll. Dort war das Kehdinger Moor ohnehin gerade mal zwei Kilometer breit, entsprechend  gefährdet war der natürliche Hochwasserschutz. Trotzdem wurde der ursprünglich geplante breite Schutzwall an der heutigen Ostener Ostgrenze auf einen 12 Meter breiten Grenzweg reduziert.

Bei der letzten Hochwasserkatastrophe fand das "fremde Wasser" der Elbe in dieser Gegend seinen Weg bis nach Hüll; eindrucksvolle Fotos vom Ausmaß der Überflutungen hängen ebenfalls in "Winnetous" Kneipe.

Ein ausführlicher Artikel über die Geschichte der "Grenze - Scheidung - Landwehr - Landmark" von Richard Toborg steht in der Ausgabe 2002 des "Allgemeinen Haushaltungskalenders", erhältlich für 6 Euro beim Zeitungsverlag Krause in Stade, Tel. 04141 - 9360.

www.osten-oste.de

 
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