Sahara-Marathon 2008

Dr. Reinhold Friedl von der UNO-Flüchtlingshilfe zu Gast
bei Saharauis und der Frente Polisario in der Westsahara

Friedl und Andrack werben für die Schwebefähre

Trockenheit, sengende Hitze und von Wasser weit und breit keine Spur � und dabei noch einen Marathon zurücklegen. Für viele keine angenehme Vorstellung, doch Dr. Reinhold Friedl, Leiter der UNO-Flüchtlingshilfe für Norddeutschland, nahm diese Anstrengungen auf sich, um auf das Schicksal der saharauischen Flüchtlinge in der Westsahara aufmerksam zu machen und seiner Vision von Weltfrieden und Einhaltung der Menschenrechte wenigstens ein Stück näher zu kommen.

Die Westsahara wurde nach Ende der spanischen Kolonialzeit 1976 von Marokko und Mauretanien besetzt. Nachdem Mauretanien sich zurückgezogen hatte, besetzte Marokko die ganze Westsahara, die von den Saharauis als ihr Heimatland angesehen wird. Es kam zum Krieg zwischen Marokko und der saharauischen Befreiungsbewegung Frente Polisario. Die einheimische Bevölkerung wurde unterdrückt oder vertrieben. Im Südwesten Algeriens fand ein großer Teil der Saharauis eine vorübergehende Heimat und sie riefen dort im Februar 1976 die �Demokratische Arabische Republik Sahara� aus. Dort leben seit über dreißig Jahren etwa 170 000 saharauische Flüchtlinge in vier Flüchtlingslagern in Zelten und Lehmhütten, nahezu zu 100 Prozent von fremder Hilfe abhängig, die insbesondere von der UNO geleistet wird. Durch eine 2500 Kilometer lange, hermetisch mit einer Mauer abgeriegelte Grenze, die 1981 von der marokkanischen Armee mitten durch die Wüste gebaut wurde, sind die Flüchtlinge im algerischen Teil der Sahara völlig von ihren Familien im Gebiet der Westsahara abgeschottet.

Friedl beteiligte sich an dem Benefiz- und Solidaritätsmarathon, um die saharauischen Flüchtlinge zu unterstützen, für die der Saharamarathon ein abwechlungsreiches Ereignis im Zusammenhang mit ihrem Nationalfeiertag ist, an dem sich auch viele Saharauis beteiligen. In diesem Jahr nahmen 550 Teilnehmer aus 19 Nationen teil, wobei alle fünf Kontinente vertreten waren. Aus Deutschland und Österreich waren es in diesem Jahr nur 25 Teilnehmer, was, so Friedl, an den klimatischen Bedingungen, aber auch an der Sicherheitslage in der Region liegen kann. Friedl: �Vor einigen Wochen wurde das Büro der UN und des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Algier von Al Qaida in die Luft gesprengt.� Darum wurde auch ein Anschlussaufenthalt in Algier gestrichen und wir, so Friedl, waren nur zum Transfer in Algier, von wo es bei der Hin- und Rückreise im Nachtflug über die Sahara nach Tindouf ging. Selten habe er, so Friedl weiter, so umfangreiche Sicherheitskontrollen wie auf den Flughäfen in Algier und Tindouf erlebt. Allerdings,�  so Friedl weiter, �habe ich mich als Gast der Saharauis und unter dem Schutz der Frente Polisario in der Westsahara nie unsicher gefühlt. Al Qaida hat nach Aussagen von Polisario-Vertretern bei ihnen keine Chance.�


Friedl in seiner Gastgeber-Familie

Die Laufstrecke des Marathons verbindet die drei Flüchtlingslager Smara, Auserd und El Ayoun. Die Läufer konnten neben dem Marathon an einem Halbmarathon teilnehmen oder sich an einem fünf oder zehn Kilometer langen Lauf beteiligen, wobei die drei  kürzeren Distanzen auch als Sahara-Walkings bzw. Wanderungen angeboten wurden. Friedl: �Da ich kein Spitzensportler bin, habe ich mit vielen anderen ein Wüstenwalking absolviert, was in der Sahara aber schon eine andere Qualität hat, als in Nordddeutschland.� Wir wurden, so Friedl, am Morgen mit Lastwagen und Jeeps zu den jeweiligen Ausgangspositionen gebracht und es empfahl sich, zunächst Trainingsjacken anzuhaben, da es in der Sahara während der Nacht und am frühen Morgen recht kühl ist. Fast alle Teilnehmer waren mit Rucksäcken unterwegs, in denen sich Wasserflaschen und Müsliriegel befanden. Zusätzlich gab es alle 2,5 km einen Kontrollposten der Saharauis, wo ebenfalls Wasser und Bananen angeboten wurden, gelegentlich kreuzten Beduinen auf Kamelen die Strecke. Der Zieleinlauf war ein einmaliges Erlebnis. Bereits einen Kilometer vor dem Ziel bereiteten tausende Saharauis, darunter viele Kinder und verschleierte Frauen mit tirillierenden Wüstenlauten und Polisarioflaggen, jedem Läufer und Walker einen begeisternden Empfang.

Die UNO-Flüchtlingshilfe ist 2008 zum zweiten Mal beim Saharamarathon dabei gewesen. Alle Teilnehmer bezahlten ihre Reise selbst und 150 Euro pro Teilnehmer, die extra bezahlt wurden, fließen direkt in Hilfsprojekte für die Flüchtlinge. Dadurch und durch zusätzliche Mittel konnten von der UNO-Flüchtlingshilfe in den vergangenen Jahren eine Mehrzecksportanlage, ein Schulprojekt und ein Besuchsprogramm maßgeblich unterstützt werden. Das diesjährig unterstützte Besuchsprogramm gibt seit 2004 � mit Unterbrechungen � saharauischen Familien diesseits und jenseits der 2500 km langen Wüstenmauer die Möglichkeit sich nach Jahrzehnten zu besuchen. Einmal pro Woche fliegt eine UN-Maschine von Westalgerien in die Westsahara und umgekehrt. In den Flugzeugen sind jeweils etwa 40 Saharaui, die fünf Tage bei ihren Verwandten verweilen dürfen. 4500 Saharaui haben diese Möglichkeit bisher genutzt, 19 000 stehen auf der Warteliste.

Am Nationalfeiertag präsentierten sich die Saharauis in einer farbenprächtigen zweistündigen Parade vor den Polisario-Chefs, Bürgermeistern und Imamen der Westsahara auf der Ehrentribüne. Auf der einen Seite demonstrierten die Teilnehmer Kampfbereitschaft zur Zurückgewinnung der Westsahara, was sich auch in Schülern in Militäruniformen und Frauen mit Gewehren ausdrückte. Gleichzeitig drückten sie Friedenswillen und Fortschritt aus, durch Gruppen mit Computern und Plakaten mit der Aufschrift �No a las armas�. Seit 1991 herrscht Waffenstillstand zwischen der marokkanischen Armee und der Frente Polisario. Die UN-Friedensmission mit Blauhelmen in der Westsahara, MINURSO, hat die Aufgabe ein Referendum über die Westsahara durchzuführen, worauf auch die Saharauis setzen. Allerdings kommt diese Volksabstimmung seit Jahren aus politischen Gründen nicht zustande. So haben die Marokkaner in einem sogenannten �Grünen Marsch� vor etlichen Jahren einige hundert Tausend Marokkaner in die Westsahara gebracht, was zu gegensätzlichen Auffassungen über die Abstimmungsberechtigten zwischen Marokko und der Polisario führt.


Nach dem Sahara-Walking am Ziel

Die Teilnehmer des Saharamarathons schliefen und aßen bei saharauischen Flüchtlingsfamilien in deren Unterkünften, was den Saharauis ein willkommenes zusätzliches Einkommen brachte. Friedl lebte bei der Familie Farah Mustafa Bachir, zusammen in einem Raum mit Rouwen Brunnert (UNHCR Deutschland), Dietmar Kappe (Pressesprecher UNO-Flüchtlingshilfe), Matthias Jung (STERN-Fotograf) und Manuel Andrack (ARD-Redaktionsleiter von Schmidt und Pocher und der Harald Schmidt Show sowie Wanderbuchautor). Friedl: �Trotz der beengten Verhältnisse verstanden wir uns alle prächtig.  Die gewöhnungsbedürftigen Sanitärverhältnisse, von uns �unser Wellnessbereich� genannt, nahmen wir schnell gelassen hin. Auch das Couscous mit Kamelfleisch schmeckte uns ausgezeichnet. Schwer beeindruckt waren wir von der unglaublichen Gastfreundschaft der Saharauis.�  Die Familie mit fünf Töchtern und einem Sohn war den größten Teil des Tages um uns herum, bereitete in richtigen Zeremonien ständig Tee und die Frauen halfen uns beim Reparieren von Rucksäcken und Anbringen der Startnummern an den T-Shirts. Beeindruckt, so Friedl, hat mich der vollkommen natürliche und unproblematische Umgang der verschleierten oder halbverschleierten muslimischen Frauen mit uns, auch wenn kein saharauischer Mann im Raum war.


Friedl am frühen Morgen beim Wüstenwalk

Es wurden natürlich auch Gastgeschenke ausgetauscht. Aufgrund von Vorabinformationen brachte Friedl hauptsächlich Schulmaterialien für die Kinder, Kosmetika für die Frauen und Tee mit. Friedl: �Nun wird in der Sahara auch Ostfriesentee getrunken.� Sehr gut kamen bei den sportbegeisterten Jugendlichen auch Manuel Andracks Trikots des 1. FC Köln an, dessen Mitglied und Fan er ist. Friedl: "Wir erhielten im Gegenzug Ketten mit Anhängern (die Frauen applaudierten immer, wenn wir sie uns morgens wieder umhängten), Ringe mit Polisario-Emblem und lange Saharaschals mit eingewebtem Logo des Saharamarathons. Den Saharaschal habe ich mir häufig von den Saharauis zu einem Turban mit Mund- und Nasenschutz binden lassen, was bei Sandstürmen äußerst hilfreich war.�

Friedls Fazit:� Es war ein menschlich, kulturell, politisch und unter humanitären Gesichtspunkten sehr guter und informativer Besuch bei den Saharauis und der Polisario. Ich könnte mir durchaus einen weiteren Besuch bei den gastfreundlichen Saharabewohnern vorstellen. In Deutschland versuche ich meinen Teil dazu beizutragen, auf die prekäre Lage der saharauischen Flüchtlinge aufmerksam zu machen, wie es von ihnen durchaus gewünscht wird, damit sie nicht vergessen werden.�

www.ostemarsch.de


 
 
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