Der Moor ist tot
Jürgen Petschulls Beitrag zur
Einleitung Gestatten sie mir eine Vorbemerkung, auch weil mein eigentlicher Beitrag zu diesem Abend sehr knapp ausfallen wird und weil ich Ihnen für das, was ich Ihnen gleich antun werde, wohl eine Erklärung schuldig bin. Also: Ich bin von der Herausgeberin Elke Löwe und dem Verleger Wolf Dietmar Stock vor einigen Monaten mehrfach behelligt worden � und zwar mit dem Ansinnen, ich möge doch für ein geplantes literarisches Gesamtkunstwerk mit dem Titel �Reise ins Teufelsmoor� eine Geschichte beisteuern. Das habe ich beinahe ebenso oft abgelehnt - und zwar mit den bis heute gültigen Hinweisen: Erstens falle mir dazu nichts ein � und zweitens sei doch von Rilke bis Rinke nun wirklich aber auch alles über das Teufelsmoor und Worpswede gesagt worden...! Aber noch nicht von allen - glaube ich daraufhin unterschwellig von den beiden Buch-Machern gehört zu haben. Ich möge mich also nicht so zieren. ... Aber d a s Moor wäre nun wirklich überhaupt nicht mein Thema, sagte ich schon ein wenig schwächer. Ich gelte doch, wie etwa eine große Sonntagszeitung meint als �Spezialist für dramatische Geschichten� - für eher handlungsbetonte Stoffe mit historischen Tiefgründen und kriminellen Hintergründen. Doch alle Ausflüchte halfen nichts. Meine vorgeschobenen Gründe wurden beiseite geschoben. Und - ehrlich gesagt: als Schreiber will man ja doch gar nicht so ungern zum Schaffen gedrängt werden , weil - ohne einen gewissen Druck kommt ja nur selten was zustande. Schließlich habe ich mir eines abends in meinem Häuschen hinterm Oste-Deich unter Einfluss eines fatalen Gemisches von Herzblut, ironisch getarnter Gefühlsduselei und Pfälzer Riesling der Sorte �Gimmeldinger Meerspinne� das nun folgende Machwerk abgerungen. - Genauer gesagt: Es sind an jenem Abend sogar zwei kleine Ergüsse herausgekommen: meine erste und vermutlich letzte lyrische Hervorbringung. Und dazu die postwendende Rezension der Herausgeber, die ich mir - unter uns gesagt � auch selber schreiben musste. Damit wollte ich eigentlich belegen, dass ich wirklich
der falsche Autor für die zu Recht so beliebte Moortümelei bin.
Stattdessen wurde das alles gedruckt...
D e r Moor ist tot !
Der Moor ist tot,
wo man sich herzt,
In all den Tagen und den Jahren
Nach dieser Zeile bricht das ursprünglich auf 27 Verse angelegte Werk abrupt in sich zusammen - und es folgt bereits die Reaktion der Teufelsmoor-Buch-Herausgeber in Form eines geharnischten Briefes... Lieber, früher geschätzter, Kollege
P.,
Wir hatten natürlich erwartet, dass Sie eine spannende Shortstory, eine Liebesgeschichte oder etwas Besinnliches beitragen könnten zu unserer geplanten Anthologie über d a s Moor im Wandel der Zeit unter besonderer Berücksichtigung des ausgedehnten Feuchtgebietes zwischen Weser und Elbe. Falls Ihr zweifelhafter Beitrag später Dadaismus sein sollte, dann haben Sie doch nur sinnfreien Nonsens zustande gebracht. Nicht einmal der in Hemmoor geborene, leider zu früh von uns gegangene und wegen seiner Hintersinnigkeit zu Recht gerühmte Kollege Rühmkorff könnte sich darüber auch nur ansatzweise amüsieren. Noch einmal: über d a s Moor sollten Sie einen Text liefern, nicht über d e n Moor, den man seinerzeit, als dieses Wort noch im alltagssprachlichen Umlauf war, selbstredend mit �h� geschrieben hat (�Sarotti-Mohr�). Wie immer Ihr Eingesandtes auch gemeint sein mag: Wir wollen uns keinesfalls dem Vorwurf aussetzen, durch eine Veröffentlichung Ihres �Werkes" über unsere geschätzten Mitbürger mit schwarz- afrikanischem Migrationshintergrund billige Scherze nach altdeutscher Kolonialherrenart zu verbreiten! Sie haben unser Thema also gründlich verfehlt..., grammatikalisch verhunzt..., stilistisch vergewaltigt... ! Und es macht die Sache keineswegs besser, dass Sie uns nachträglich telefonisch weismachen wollten, es handele sich bei Ihrem lyrischen Selbstversuch weder um eine Anspielung auf einen unserer dunkelhäutigen Freunde noch um einen versteckten Hinweis auf Schillers Räuber und einen der dort agierenden Gebrüder Moor, sondern um den Nachruf auf einen fiktiven Landwirt namens Heinz Herbert Moor aus der Gegend von Gnarrenburg, der mit seinem überladenen Gülle-Trecker bei einem Verkehrsunfall auf der B 74 auf tragische Weise ums Leben gekommen sei ... Um es kurz zu machen: Wären wir von Ihren früheren Werken nicht so angetan, hätten wir uns nicht einmal die Mühe dieser längeren Erklärung gemacht. Allerdings wären Ihnen sehr verbunden, Kollege P., wenn Sie uns von der Einsendung weiterer Stilproben in Zusammenhang mit unserem geplanten Buch über d a s M o or (!) verschonen würden.
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