Die Reden von Jürgen Hinck und Hans-Henning Kruse

Kunstwerke
zum Anfassen

Aus der Rede von Jürgen Hinck
am 1. Juli 2011 zur Namensgebung
"Müller-Belecke-Weg" in Hemmoor

Festredner Hinck in Hemmoor

Wir wollen den Namen dieser Straße verändern. Nun sind Veränderungen aber auch immer Zumutungen und Herausforderungen.  Diese laufen in der Regel nicht konfliktfrei ab. So hat es auch hier wenig Zuspruch von Seiten der Anwohner für diese Bezeichnungsänderung gegeben. Die hier ansässige Spedition hat die Änderung der seit 2003 bestehenden Bezeichnung "Zum Kindergarten" beantragt. Welche negativen Begleitumstände die Kunden einer Spedition mit der alten Bezeichnung  "Zum   Kindergarten"  verbinden, hat sich mir nicht erschlossen. Jedenfalls hat am Ende das Unternehmen die vorgechlagene Veränderung bewirkt.

Dieses Wirken ermöglichte der Stadt Hemmoor, einen weiteren verdienten Bürger mit der Benennung einer Straße zu ehren, wie es seit geraumer Zeit Wunsch der Stadt ist. Neue Straßen werden auch in Hemmoor nicht mehr so häufig erschlossen. Hier war nun die Gelegenheit einen weit über die Grenzen Hemmoors hinaus bekannten Künstler zu ehren.

Friedrich-Josef Müller-Belecke hat sich durch seine hervorragenden Arbeiten große Wertschätzung und einen hohen Bekanntheitsgrad erworben. Der Bildhauer, der seit 1963 in Hemmoor lebte, hat neben seiner künstlerischen Tätigkeit  25 Jahre als Kunsterzieher am Gymnasium Warstade gewirkt.

Er war wohl ein Kunstschaffender mit Sinn für stabile wirtschaftliche Lebensumstände, die die Grundlage bilden sollten, um sich voll und ganz seiner Berufung widmen zu können. Alle Kunstwerke entstanden in seinem Atelier -  hier in Hemmoor in der Schützenstraße. Seinem Schaffen können wir an vielen Orten dieser Erde begegnen.

Erwachsene erfassen das Gesehene rational. Kinder wollen Bronzestatuen nicht nur betrachten, sie wollen sie in ihr Spiel einbeziehen, auf ihnen sitzen und sie begreifen. Genau das hat sich Frijo Müller-Belecke gewünscht - nämlich Kunstwerke zum Anfassen. Dass das vielfach gelingt, davon zeugen viele Plastiken. Ob die hellen, blanken Stellen auf der Bronze allerdings immer nur Kinderhänden zuzuschreiben sind, daran darf gezweifelt werden.

Seine unzähligen Werke sind in unserer norddeutschen Heimat zu bestaunen, zum Beispiel in Neuenkirchen, als Hinrich-Wilhelm-Kopf-Denkmal, als Utröper am Kirchplatz und Deichbauer in Otterndorf und in Hemmoor, in der St. Ansgarkirche, als Altarkreuz, Taufbecken, Glasfenster, Kreuzweg, sowie als Zementpacker  und  Paul-Neese-Stele am Zementmuseum .

Aber auch die Menschen in der Ferne hat er mit seinen ausdrucksstarken Skulpturen bereichert. Als Beispiel möchte ich das Lucas-Cranach-Bildnis in den Cranach-Höfen in Wittenberg, seiner Ausbildungsstätte, herausheben. Es spiegelt augenscheinlich den kantigen Charakter des Dargestellten wieder.

Alle Bildnisse laden uns zum Verweilen, zum Nachdenken und zur inneren Einkehr ein. Mögen viele Menschen dieser Einladung folgen. Sein Wirken wird uns sehr lange in Erinnerung bleiben. Wir benennen diese Straße als Zeichen besonderer Wertschätzung und zur Ehrung des Künstlers "Müller-Belecke-Weg".



Erinnern ehrt die
Gemeinschaft

Aus der Rede von Hans-Henning Kruse
am 1. Juli 2011 zur Namensgebung
"Müller-Belecke-Weg" in Hemmoor

Festredner Kruse in Hemmoor

Vor knapp einem Jahr, am Freitag, 27. August 2010, hatte ich die Ehre, in der Kulturdiele die Laudatio auf Frijo Müller-Belecke zu halten. Ihm zu Ehren - vor allem aber auch dem großen Lyriker Peter Rühmkorf, dem Historiker Alfred Vagts und dem "Tomte'-Musiker Thees Uhlmann - war diese gemeinsame Erinnerung vor einem Jahr gewidmet.

Es ist schön, und es ehrt die Gemeinschaft, wenn sie sich jener Männer und Frauen erinnert, die aus ihren eigenen Reihen hervorgegangen sind und einen weit über Hemmoor hinaus gehenden Bekanntheitsgrad erreichen konnten. Es bedarf deshalb immer auch Männer und Frauen, die die Erinnerung an sie wachhalten. Konkret war dies der Hemmoorer Arbeitskreis "Kunst und Geschichte", vor allem aber Ortsheimatpfleger Heino Grantz, der die "Vier aus Hemmoor" - Rühmkorf, Vagts, Uhlmann und Müller-Belecke - zusammenführte.

Dies vorausgeschickt, gilt heute unser Erinnerungsakt - einzig und allein - einem Protagonisten seiner Kunst: Frijo Müller-Belecke. Ihm zu Ehren soll der "Müller-Belecke-Weg" gewidmet werden. Sein künstlerisches Schaffen war nicht literarisch oder historisch geprägt, wie bei Rühmkorf oder Vagts, auch nicht musikalisch, wie bei Uhlmann. Seine Kunst und sein hohes Können war die dreidimensionale Formgebung, die er zumeist als Auftragsarbeit lebensgroß realisierte.

Nahezu allen seinen Werken ist ein gewisser Humor und Witz gemein, der ihn in besonderer Weise auszeichnete.
Ich denke dabei an die Großplastiken "Mönch und Esel" auf dem Marktplatz in Bücken, an den "Utröper" in Otterndorf, oder "Bauer und Kalb" in Cadenberge, aber auch an die "Nonne und Schafbock" in Buxtehude, um nur ganz wenige seiner Kunstwerke zu nennen.

Und immer waren es Berühmtheiten der Zeitgeschichte, die ihn reizten, sie lebensgroß zu modellieren, um so die Bronze-Gußform zu schaffen. Von den rund 200 Skulpturen möchte ich den Maler Lukas Cranach nennen, den er im Auftrag der Stadt Wittenberg zum 450. Todestag des Künstlers schuf. Zum 100. Geburtstag von Niedersachsens erstem Ministerpräsidenten Hinrich-Wilhelm Kopf formte er die Halbplastik des "roten Welfen" in Neuenkirchen.

Lebensgroß hält vor dem Aeronauticum in Nordholz - und vor dem Zeppelin-Museum in Friedrichshafen - der Luftschiff-Pionier Graf Zeppelin die Wacht. Zwei weitere historische Figuren - den Arabienforscher Garsten Niebuhr und den Homer-Übersetzer Johann-Heinrich Voss - findet man vor dem Lüdingworther Bauerndom und an der Otterndorfer Severi-Kirche. Gleich mit mehreren Arbeiten ist er natürlich hier in Hemmoor vertreten. So mit dem "Zementpacker", und dem Bronze- Porträt- von Paul Neese im Zementmuseum. Auch der Wolf vor der Apotheke ist sein Werk.

Meine Damen und Herren, auf sein künstlerisches Gesamtwerk auch nur ansatzweise einzugehen, ist einfach unmöglich. Erinnern möchte ich heute aber nicht nur an den Bildhauer Müller-Belecke, sondern auch an den Pädagogen und Kunsterzieher, der hier am Gymnasium ab 1963 fast ein Vierteljahrhundert lang tätig war. Nicht unerwähnt lassen möchte ich seine fünfjährige kreative Zeit als Kunsterzieher an der Deutschen Schule in Bogota in Kolumbien.

Gleichwohl ist zu erinnern an das kleine Sauerland-Örtchen Belecke, in dem er am 24. März 1932 geboren wurde und mit dem Frijo Müller seinen Familiennamen schließlich verlängerte. Zuvor hatte er das Bildhauer-Handwerk erlernt und danach eine mehrjährige akademische Ausbildung als Meisterschüler von Professor Josef Henselmann in München absolviert.

Erlauben mir Sie bitte noch einen Hinweis: Es geht um das beeindruckende Kunstwerk mit dem Titel "Befreiung", das Frijo bereits 1985 für die Gedenksammlung des KZ Bergen-Belsen geschaffen hat. Leider hat Frijo Müller-Belecke, der am 5. Juli 2008 starb, die Eingliederung seines Modells in Bergen-Belsen nicht mehr miterleben dürfen. Bleibt die Hoffnung, dass sein Vermächtnis noch vollzogen wird.

Nach Frijo Müller- Belecke soll heute, nur wenige Tage vor seinem dritten Todestag, dieser Weg benannt werden.
Zugegeben: ein eher unscheinbarer kleiner Weg - in Erinnerung an einen großen Bildhauer, der bescheiden für seine Kunst lebte. Frijo hätte sich sehr darüber gefreut.


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