Leserbrief

In absehbarer Zeit wird der Landrat neu gewählt. Wer wird kandidieren? Wie ist das Amt zu führen? Was ist für den zur Wahl aufgerufenen Staatsbürger zu bedenken? Dies fragen zunehmend Journalisten und Bürger.

Der Bürger als Souverän hat durch seine Wahlhandlung die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung zu unterstützen und mit Leben zu erfüllen! Das vermag er nur, wenn er sich an klaren Vorgaben und Maßstäben orientieren kann. Diese sollten ihm Politiker, im Besonderen alle Amtsträger, vorleben können.

Dazu reicht es meiner Meinung nach für Amtsinhaber nicht, die Gesetze formal zu erfüllen und technokratische Fertigkeiten glänzend zu praktizieren.

Die moralischen, politischen und juristischen Grundlagen unseres Staatswesens sind nach dem Krieg völlig neu geschaffen worden von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes (es waren immerhin auch vier Frauen beteiligt)  Diese postulierten: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Im Mittelpunkt und im Ziel staatlichen und allen Verwaltungshandelns hat also der Mensch zu stehen. Die Gesetze sind so anzuwenden, dass sie ihm Schutz und freie Entfaltung der Persönlichkeit gewähren. Wichtig: Die Würde gilt über den Tod hinaus.

Dieser Verfassungsgrundsatz war die Quintessenz der Erfahrungen mit der Diktatur des Nazi-Regimes und deren abstoßende Auswüchse in Form der Konzentrations- und Massenvernichtungslager. Aus dieser Situation und dem Respekt vor den Verfolgten und Opfern heraus wurde an dieser Stelle ein neuer Geist begründet, eine neue Sichtweise,  ein neues Verständnis, eine neue Staatsräson. Jeder Träger staatlicher Funktionen hat heute auf dieser Basis seinen Eid zu leisten und hat sich als Multiplikator des freiheitlichen Geistes zu verstehen. Er hat als Beamter die oben genannten ethischen Grundlagen unseres Staates, welche kulturhistorisch auf christlicher Basis ruhen, in seinem dienstlichen Handeln zu verkörpern. Tut er das auch? Darüber hat beim u. a. beim Landrat der Wähler zu entscheiden.

Nun gibt es in unserem Landkreis einen Ort, der für einen Zeitraum in seinen Verhältnissen einem Konzentrationslager entspricht. Das Lager Sandbostel. Die dort grausam zu Tode Gequälten  sind für uns alle gestorben, sie litten und starben wie oben beschrieben, für eine bessere und gerechtere Welt. Wie alle Christen glauben, war es auch so bei Jesus. Wie sagt doch Christus: �Was ihr den Geringsten unter meinen Brüdern angetan habt, das habt ihr auch mir angetan�. (Matthäus 25,40)
Wenn nun ein Landrat, der besonders im Rahmen seiner Aufgabe als Vorsitzender des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge bei geeigneten Gelegenheiten schöne Worte zu allen möglichen Opfergruppen ertönen lässt, besonders auch für jene, welche mit der Waffe in der Hand gestorben sind und möglicherweise selber getötet haben, dann aber wie am 29. April 2012, dem Sandbosteler Ehrentag der KZ-Häftlinge, wie nach meiner Beobachtung geschehen, die unschuldig Ermordeten, Gequälten und Entrechteten ohne Gruß und wortlos in feiger Weise im Stich lässt, dann sollte dieser Posteninhaber nicht an seinen allzeit wohlfeilen Worten, sondern an seinem Versagen vor der besondere Ehre erweisenden  Aufgabe gemessen werden. Wer sich nicht in angemessener Weise vor jenen Opfern verneigt, die der Freiheit, dem Recht und der demokratischen Selbstverwirklichung von uns Allen durch ihr Leiden den Weg gebahnt haben, lässt  in meinen Augen eine Eignung zur moralischen und politischen Führung der Bürger unseres Landkreises eindeutig vermissen.

Kurt Ringen, 27412 Breddorf OT Hanstedt, Alte Dorfstr. 15, Tel. 04285-1739
 
 
 

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