Optimismus an der Oste

Jau, wi künnt dat

Die 500 Mitglieder starke Lobby
für die Flussregion geht in ihr 10. Jahr

Von Jochen Bölsche

Beitrag für das "Osteland-Magazin" vom 8. 2. 2013

Als 2003 in Hemmoor erste Gespräche über die Gründung einer gemeinnützigen Flussgebietskooperation geführt wurden, waren die Aussichten für die Region eher düster: Die Oste galt als "unbekannter Fluss"; ihr Einzugsgebiet war namenlos; ihr Wahrzeichen, die Schwebefähre, stillgelegt; der Tourismus stagnierte. Heute, knapp ein Jahrzehnt danach, stellt sich die Entwicklung am längsten Nebenfluss der Niederelbe im Rückblick als Erfolgsgeschichte ohnegleichen dar. 

Beseelt von einem optimistischen "Jau, wi künnt dat", der niederdeutschen Version des "Yes, we can", waren zwölf Ehrenamtliche in Hemmoor initiativ geworden: Sie peilten laut Satzung das Ziel an, im Einzugsgebiet der Oste, das mit 1800 Quadratkilometern größer ist als Hamburg und Berlin zusammen, den "umweltverträglichen Tourismus" zu fördern und das "Natur- und Kulturerbe" sowie das "maritime Erbe" zu bewahren.

Seither ist die "Lobby für die Oste" auf über 500 Mitglieder angewachsen, dazu zählen unter anderem nahezu alle Kommunen von der Quelle bis zur Mündung. Seit der Verein begonnen hat, die touristische Marke "Osteland" zu prägen, haben mehr als zwei Dutzend Firmen, Organisationen und Produkte den Namen aufgegriffen: Osteland-Touristik, Osteland-Gesundheitszentrum, Osteland-Magazin, Osteland-Gartenservice, Osteland-Ferienhof, Osteland-Aquavit und und und. Zum Jahresbeginn hat die Gemeinde Osten, Sitz des Vereins, ihre "Festhalle" in "Osteland-Festhaus" umbenannt.

Längst ist die einst von der Politik abgeschriebene Schwebefähre, dank des Drucks vieler Freunde und Förderer bis hin zum spanischen König, nicht nur restauriert, sondern auch für das Unesco-Weltkulturerbe vorgeschlagen. Überragende Bedeutung hat das Baudenkmal für die von der AG Osteland konzipierte Deutsche Fährstraße Bremervörde - Kiel (2004) wie auch für den neuen Oste-Radweg Tostedt - Balje (2012). 

Flankiert wird die Schwebefähre überdies von einer musealen Fährstuv in Osten und einer Weltschwebefähren-Infomeile in Hemmoor (2009). Und eng verbunden ist der Standort Osten durch eine 2006 besiegelte florierende Partnerschaft (2006) mit der Gemeinde Osterrönfeld an der 1913 eröffneten zweitältesten deutschen Schwebefähre, deren Hundertjähriges viele Freunde von der Oste im Herbst mitfeiern wollen.

Zunehmend gelungen ist es den in der AG Osteland vereinten Kommunen und Privatleuten, das mittlere Drittel des Elbe-Weser-Dreiecks als Ferienziel zu propagieren. Auch 2013 wird der Verein wieder spezielle Zielgruppen ansprechen. So werben auf Reisemessen und anderswo 35.000 Osteland-Wanderkarten für für Radtouren an dem "Fluss, der alles hat". 

Die von der AG Osteland begleitete Wiederansiedlung des ausgerotteten Störs, eines der größten deutschen Artenschutzprojekte, hat auch dazu beigetragen, das Interesse der Angelwelt auf die Oste zu lenken. 

Das galt auch für die Freisetzung des 1000. Jungstörs im  vorigen Jahr, für die Modifizierung von Wehren und anderen Wanderfisch-Hindernissen in Sittensen sowie für die Eröffnung des ersten "fischdurchgängigen" Tideschöpfwerks in Hemmoor-Basbeck. Am Sonnabend, 11. Mai, will die von Wolfgang Schütz geleitete Osteland-AG Wanderfische mit dem Bootsclub Bremervörde-Elm ein weiteres großes "Oste-Störfest" feiern, bei dem erneut Jungfische aus französischer Nachzucht ausgewildert werden sollen. 

Auf Literaturtouristen zielt unser Projekt "Krimiland Kehdingen-Oste" (Slogan: "Jeder Ort ein Tatort"), das mit Lesungen an originellen Plätzen mittlerweile durch Presse, Funk und Fernsehen bekannt geworden ist. Im vorigen Herbst beispielsweise wurde mit dem Roman "Tödliche Schriftrollen vom Nil" von Reinhold Friedl werbewirksam der 50. Oste-Krimi präsentiert.

Die Wassersportler wiederum spricht seit gut zwei Jahren der Osteland-Arbeitskreis Blaues Netz um Bernd Jürgens (Hemmoor) an. Er veranstaltet vom 20. bis 22. September an der Unteren Oste gemeinsam mit den örtlichen Touristikern erstmals ein großes "Absegeln / Abmotoren mit Freunden", zu dem Skipper aus der gesamten Niederelberegion eingeladen sind. 

Wirklichkeit geworden ist mittlerweile der alte Traum, die Oste verstärkt für Wassertouristen zu erschließen. Für den Oste-Oldtimer "Mocambo", dessen Angebot zunehmend durch Fahrgastschiffe aus Schleswig-Holstein ergänzt wird, sind in den letzten Jahren Anleger in Balje, Oberndorf, Osten, Hechthausen-Klint und Großenwörden geschaffen worden, die von der AG Osteland mit einheitlichen Stationsschildern mit dem Fährstraßen-Logo versehen wurden. Weitere Anleger geplant sind nun 2013/14 am Fährkrug in Brobergen, neben der historischen Prahmfähre, sowie in Kranenburg, gegenüber von Hechthausen-Klint, dem Heimathafen des neuen Fähr- und Naturerkundungsbootes "Püttenhüpper".

 Zu den Aufgaben der AG Osteland wird auch 2013 die Pflege von Kultur und Heimatgeschichte durch Herausgabe von Büchern (zuletzt: "Ufergeschichten" von Dietrich Alsdorf) und durch Veranstaltungen zählen. Schwerpunkt des vorigen Jahres war eine Wanderausstellung, gezeigt in Balje, Geversdorf, Hemmoor und Nieder Ochtenhausen zum 50. Jahrestag der Sturmflutkatastrophe. Nun will der Verein zu einer Zeitreise in das Jahr 1813 einladen: Vor 200 Jahren endete an Oste und Elbe die "Franzosenzeit" und damit die napoleonische Kontinentalsperre. 

Den Auftakt zum Veranstaltungsreigen bildet eine Beamer-Schau des Heimatpflegers Frank Auf dem Felde (Osten). In der Hauptversammlung der Arbeitsgemeinschaft am Montag, 18. März, 19.30 Uhr. Im Gasthaus Meier in Estorf-Gräpel  spricht der Regionalhistoriker zum Thema "Napoleon im Osteland - zwischen Pläsier und Malör".  Dabei wird sich der Referent kritisch mit der traditionellen Sichtweise einer "Befreiung vom napoleonischen Joch" auseinandersetzen, "die immer noch wesentlich durch die Brille des 19. und frühen 20. Jahrhunderts geprägt ist". 

Auf dem Felde will bei seiner "Spurensuche" unter anderem die Fragen beantworten: "Was bleibt, wenn man die geschichtlichen Ereignisse der Sieger-Propaganda von Metternich bis Kaiser Wilhelm entkleidet? Wie 'französisch' war das Osteland vor 200 Jahren und was ist uns daraus geblieben?" In Zusammenarbeit mit der AG Osteland veranstaltet zudem die Neuhäuser "Bruderschaft der Lumpenhunde" vom 2. bis 6. Oktober ein großes Historienfest, das ebenfalls dem Ende der Kontinentalsperre vor 200 Jahren gewidmet ist. 

Dem regionalen Naturerbe widmet sich die Fluss-Lobby bereits bei ihrem "9. Tag der Oste" am Sonntag, 17. Februar, in Schomakers Landgasthof in Bremervörde-Elm: Dort wird der stellvertretende NABU-Landesvorsitzende und Osteland-Mitstreiter Uwe Baumert aus Deinstedt (Landkreis Rotenburg) den Festvortrag zum Thema "Erneuerbare Energien, Landwirtschaft und Naturschutz" halten. Außerdem verleiht der Vorstand des Vereins vor über 300 geladenen Gästen wieder den Oste-Kulturpreis "Goldener Hecht", der von Sponsoren alljährlich mit 3.500 Euro ausgestattet wird.

Auch an geselligen und touristischen Veranstaltungen mangelt es nicht im Osteland-Programm. Die Saison beginnt am Mittwoch, 1. Mai, 8 Uhr, an der Kiebitzschule in Oberndorf mit der traditionellen Maiwanderung mit Albertus Lemke, der dieses Jahr in Moorgebiete an der Oste führt, und endet am 1. Advent, in Kooperation mit der Gemeinde Oberndorf, mit einer winterliche Schiffsreise auf Elbe und Oste von Brunsbüttel zum Oberndorfer Adventstreff.

Stolz sein kann der Verein, dass seine Arbeit Anerkennung findet bis hinauf zum Bundespräsidenten Joachim Gauck, der den Einsatz für die Erhaltung des Kultur- und Naturerbes an der Oste und für die Trägerschaft der Deutschen Fährstraße im Januar durch eine Einladung zu seinem Neujahrsempfang auf Schloss Bellevue gewürdigt hat. Dort zeigte sich das Staatsoberhaupt aufgeschlossen für die Probleme der abgelegenen ländlichen Räume und voller Anerkennung für die Arbeit jener vielen ehrenamtlich tätigen Bürger, denen auch die AG Osteland ihre Erfolge zu verdanken hat.

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