Rat der Stadt Hemmoor: Rede von Johannes Schmidt
(SPD)
zum Thema Einheitsgemeinde am 11. 10. 2007
Mir läuft die Diskussion über die Fusionsgedanken einfach zu respektlos gegenüber dem bisherigen Gebietskörperschaften und den darin lebenden Menschen und ihren gewählten kommunalpolitischen Akteuren.
Nicht Hechthausen oder Osten sind an uns herangetreten, sondern wir als Hemmoorer wollen sie zu Gesprächen und �Verhandlungen� �zwingen�, mit uns (Bürgermeister Hans Wilhelm Saul und Stadtdirektor Dirk Brauer) über die Fusion von Gemeinden zu sprechen. Wie soll das gehen? Mir geht es hier um das Wie und die Art und Weise und auch um die Schaffung einer qualifizierten Grundlage von Erkenntnissen. Wir wollen die Einheitsgemeinde und nicht Hechthausen und Osten. Dann müssen wir unsere Nöte den anderen darlegen und sie bitten über das Modell einer Einheitsgemeinde nachzudenken. Dann wird erst ein Schuh draus.
Wenn ich über die Einheitsgemeinde diskutieren soll, dann möchte ich eine fundierte Erkenntnisgrundlage haben, die Osten und Hechthausen einladen könnte, sich mit dieser Perspektive zu beschäftigen.
Im Übrigen, nicht Hadeln ist an das Sietland herangetreten, sondern das Sietland an Hadeln.
� Fusionen sollten nicht vom vermeintlich Stärkeren oder von oben diktiert werden. Wir haben hier im Samtgemeindeverbund eine absolut partnerschaftliche Grundlage und warum sollte man die aufs Spiel setzen?
� Sparüberlegungen sind kein ausreichendes Motiv, um eine solche Fusion unserer Samtgemeinde in Gang zu setzen.
� Offene und frühzeitige Kommunikation ist sehr wichtig � mit den Bürgern und Bürgerinnen der betroffenen Gemeinden.
� An den Fraktionsvorsitzenden der CDU im Nds.Landtag gerichtet, sollte als erstes das Land Niedersachsen sichere und berechenbare Rahmenbedingungen schaffen. Die Fusion zur Einheitsgemeinde hängt entscheidend davon ab, ob das Land solche Prozesse aktiv unterstützt und aber auch erhebliche Anreize setzt�.und das heist satten finanzellen Ausgleich, damit die Zukunft auch eine Zukunft werden kann�
� Der Bund-Länder-Gemeindefinanzausgleich muss so reformiert werden, dass er diese Fusion erfolgreich und zukunftssicher auf ein festes Fundament setzen kann und � Zukunft ermöglicht. Eine Reform unserer Gebietsstruktur ist somit eng verknüpft mit den Reformprojekten in den Bereichen Finanzausgleich und Ansiedlungspolitik.
Ich habe mir mal die Mühe gemacht, stichwortartig die Argumente der Auslöser für Strukturveränderungen aufzulisten, die bei uns hier schon seit 2004 angesprochen wurden. Über die heimatgeschichtlichen Ereignisse, Märchen und Vorurteile die man ja schon als patriotische Argumentationsfront bezeichnen könnte, will ich überhaupt nicht eingehen.
Da sind also folgende Argumente:
� Autonomieverlust durch Überschuldung und durch kommunalaufsichtsrechtliche Interventionen� des Landkreises Cuxhaven
� Mängel bei der Zusammenarbeit durch so genannte ungleiche Partnerschaft
� Höhere Erwartungen an die Einwohner
� Mangelnde Leistungsfähigkeit unserer Gemeinden gegenüber den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit..
� Personalprobleme bei den Verwaltungen
� Zunehmende Aufgabenkomplexität
� usw�
und es wird immer gesagt und behauptet, dass es Vorteile von Gemeindefusionen geben soll: z.B.
� eine bessere Aufgabenerfüllung, d.h. Effizienzgewinne durch Schaffung von grösseren Leistungserbringern,
� es soll Vereinfachungen von kostensparenden Strukturen geben z.B. durch weniger Ämter/evtl. Aussenstellen/ Zusammenlegung der Feuerwehren usw�.was ja die CDU schon ganz offen proklamiert .
� es wird dann bessere Entwicklungsmöglichkeiten z.B. in der Raumplanung und der zweckmäßigen Verteilung von Gewerbe- und Wohngebieten geben�
� die Gewinnung von Verwaltungsmitarbeiterinnen wird einfacher�
� und die Kompetenzsteigerung der Verwaltung soll die Folge sein..
� und der Gewinn von Unabhängigkeit als grössere Gemeinde mit stärkerem Gewicht in der Region und gegenüber dem Landkreis wird die Folge sein..
Anrede
Aber auch über die Nachteile von Gemeindefusionen muss diskutiert werden: z.B.
� wie ist das mit dem Identitätsverlust der Bürger und Bürgerinnen mit ihrer Gemeinde�dem Ort wo sie zuhause sind..�
� der geringeren Integrationsfunktion der neuen (grösseren) Gemeinde
� wie wirkt sich der Verlust von Gemeindeautonomie /Rat/Haushalt etc. aus..
� es werden kurzfristig keine Erfolge sichtbar werden�
� es wird schwierige Standortentscheidungen bei Gewerbeansiedlungen geben ...Wettbewerb- und Konkurrenzgehabe�nachteilige Randlagen werden verstärkt Randlagen....
� Kurzfristig großer Zeit- und Geldaufwand (Prozesskosten)
� Bezüglich der Effektivität der gemeindlichen
Aufgabenerfüllung ist nicht zuletzt der Umstand von Bedeutung, dass
die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen schon in den heutigen Gemeinden
viel zu niedrig ist. Dies ist bei aller Vorsicht als Indiz auch für
eine kommunale Politikverdrossenheit zu werten und als das Gefühl
zu interpretieren, dass die eigenen Anliegen nicht mehr hinreichend in
die Gemeindeverwaltungen hineingetragen werden können oder Beachtung
finden.
Ich würde sagen, das sind dann die nicht
in Zahlen zu beziffernden gesellschaftlichen Frustrationskosten .
Meiner Ansicht nach wird das Einsparpotential generell überschätzt.
� Einsparungen lassen sich nicht präzise prognostizieren und im Nachherein nur schwer nachweisen.
� Vielleicht sind nur 1-3% der jährlichen Ausgaben der laufenden Rechnungen realisierbar..
� In der Regel erfolgt kein Abbau von Personal
� Langfristigen Nutzen sehe ich persönlich im Moment nur in geschickter Strukturpolitik, denn sie bringt langfristig Effizienzsteigerungen aber keine finanziellen Einsparungen�.
� Eine Fusion traditionsreicher Gemeinden zu einer Einheitgemeinde darf nicht maßgeblich auf das Kriterium der Wirtschaftlichkeit gestützt werden. Vielmehr hängt es von der Gewichtung weiterer Kriterien durch die politischen Entscheidungsträger ab, welchem Modell der Vorzug gegeben werden soll.
Ich möchte die Diskussion versachlichen ,
weil sie mir viel zu sehr emotional und mit nicht unerheblichen Vorurteilen
geführt wird. Hemmoor muss ein Begründungs- und Erkenntniskonzept
aus städtischer Sicht vorlegen, um überhaupt einen Einstieg in
eine sachliche und partnerschaftliche Diskussion mit den anderen Gemeinden
zu bekommen. Wir wollen doch was von Osten und Hechthausen.
Ansonsten verfahren wir genau so , wie dieses
im Zusammenhang mit dem Raumordnungsprogramm Lamstedt mit Hemmoor getan
hat und das geht auch nicht, wie wir an der geschlossenen Ablehnung des
Hemmoorer Rates sehen können. Druck erzeugen für eine Entwicklung,
die von vornherein nicht gemeinsame Lösungsstrategien beinhaltet,
wird unnötige Konfikte vorprogrammieren und nicht zum gewünschten
Erfolg führen.
Darum stelle möchte ich hier folgenden
Ergänzungsantrag:
11.10.2007
Bürgermeister und Stadtdirektor werden beauftragt, umfassende Grundlagen zu schaffen, damit die Vor- und Nachteile einer konkreten Fusion der Gemeinden Hemmoor, Osten und Hechthausen zu einer Einheitsgemeinde argumentativ und quantitativ dargestellt werden können.
1. Es sollen Erkenntnisse geliefert werden, wie sich die gemeindlichen Rahmenbedingungen z.B. im Bereich der Aufgaben
� Räte, Verwaltung
� Finanzen,Steuern
� Bildung/Schule/ Kindergärten/Angebote/Standorte/Organisation
� Raumordnung, Tourismus
� Infrastruktur/Versorgung/Entsorgung/Strassennetz/
� Öffentliche Sicherheit/Feuerwehr
� Gesundheit und Soziales/Demographie/Kultur und
Vereine,Ehrenamtlichkeit usw.
auf die betroffenen Gemeinden auswirken wird.
2. Des weiteren sollen Erkenntnisse geliefert
werden, welche Fusionshemmnisse bestehen und
3. sollen Erkenntnisse geliefert werden,
welche Anreize das Land für eine Fusion bieten kann.
4. Auf der Basis dieser schriftlich vorgelegten
Erkenntnisstudie, sollen die Einwohner der drei Gemeinden Hemmoor, Osten
und Hechthausen in einen offenen Diskussionsprozess eingebunden und
durch eine direkte Bürgerbefragung im laufenden Meinungsbildungsprozess
ihre Meinung kundtun.
5. Die Erkenntnisstudie soll bis Ende 2009 dem Rat vorgelegt werden. Die Kosten für eine eventuell einzusetzende Honorartätigkeit sind in den Haushaltsplan 2008 einzustellen.
6. Es soll sich hier nicht um ein Beratungsbüro handeln, sondern um die Eigenleistung der Stadtverwaltung, denn die betreibt ja auch im Zusammenspiel mit der Politik dieses Vorhaben.
Johannes Schmidt