"FAZ" vom 7. 3. 2006:

Durch die Luft
übers Wasser


Miniatur-Schwebefähre bei Mönchengladbach

Schwebefähren haben Betrachter stets fasziniert. Von diesen meist riesigen und doch filigranen Brücken mit angehängter Gondel existieren weltweit noch mindestens neun Stück. Die mit Abstand jüngste und kleinste dient in Mönchengladbach dem Tourismus: Sie bringt Fußgänger über das Flüßchen Niers und erinnert an ein anderes gewaltiges Bauwerk, den zu Napoleons Zeiten nur halb fertiggebauten Nordkanal.

Schwebefähre - schon der Begriff ist Poesie. Ohne das Wasser zu berühren, bringt die Fähre ihre Benutzer von einem Ufer zum anderen. Der englische Begriff "transporter bridge" wirkt viel profaner. Ingenieure stellen gern klar, daß es sich bei Schwebefähren nur um bewegliche Brücken handelt. Doch der Abstand zwischen dem Brückenträger und der an ihm hängenden Gondel ist so groß, daß man schnell das Gefühl des Schwebens bekommt.

Mit Schwebefähren wurden breite Hafeneinfahrten fest überbrückt, ohne den Verkehr der großen Schiffe zu behindern. Auch lange Anfahrtsrampen waren nicht nötig. Solche Pläne gab es im 19. Jahrhundert viele, doch erst 1893 ging in Portugalete bei Bilbao in Spanien die erste Schwebefähre in Betrieb. 21 weitere wurden bis 1940 gebaut. Von diesen sind acht übriggeblieben: die eine in Spanien und in Deutschland zwei, in Osten (Elbe-Weser-Dreieck) und über den Nord-Ostsee-Kanal in Rendsburg. In Frankreich gibt es noch eine Schwebefähre, drei in England und eine in Buenos Aires. Die Transportleistung der Fährgondeln ist recht gering. Doch die verkehrstechnisch anachronistischen Brücken haben ihre Liebhaber. Einer dieser Fans ist Mirko Baum, Architekt und Hochschullehrer an der RWTH in Aachen. Er hat die Schwebefähre in Mönchengladbach entworfen. Hier hätte die Niers den Nordkanal queren sollen, der allerdings an dieser Stelle nie gebaut wurde. Der "Grand Canal du Nord" sollte nach dem Willen Napoleons den Rhein bei Neuss mit der Maas bei Venlo verbinden, um an den Seehäfen der Niederlande vorbei für Rheinschiffe eine Verbindung zum damals französischen Hafen Antwerpen zu schaffen. 1807 begann der Bau. Schon 1810 fielen auch die Niederlande an Frankreich - die Arbeiten wurden eingestellt. Übrig blieb ein 53 Kilometer langes Fragment mit Brücken und Schleusen ohne Anschluß an den Rhein.

Dieser gewaltige Torso wurde als völkerverbindendes Landschaftselement neu in Szene gesetzt. Ein ausgeschilderter, fast hundert Kilometer langer Fahrradweg von Neuss bis weit in die Niederlande hinein nach Nedersweert erschließt das Ganze. Eine der Sehenswürdigkeiten ist seit dem Herbst 2003 die Schwebefähre in Mönchengladbach. Das in einfacher Bauweise errichtete Kuriosum ist allerdings ungleich kleiner als ihre bekannteren Schwestern, die oft 50 Meter hoch und weit mehr als 100 Meter lang sind. Das Gladbacher Bauwerk wird "Erlebnisbrücke" genannt, weil die Nutzer hier nicht nur über die Niers schweben, sondern die 2,50 mal 1,50 Meter große Gondel auch mit eigener Muskelkraft bewegen müssen. Dafür ist die Fahrt allerdings kostenlos.

Die Schwebefähre über die Niers befindet sich im äußersten Nordosten von Mönchengladbach, im Zwickel der Autobahnen 52 und 44 im Ortsteil Donk. Wer die Abfahrt Mönchengladbach-Ost nach rechts verläßt, rechts in die Krefelder Straße einbiegt, erreicht nach etwa einem Kilometer links die Cloerbruchallee, die in der Nähe der Schwebefähre über den Fluß führt. Der Wanderweg im Zuge der Nordkanal-Trasse wird auf der Internetseite www.nordkanal.net beschrieben. Wer sich in der Welt der Schwebefähren umsehen möchte, ist im Internet mit www.schwebefaehre.org gut bedient.
 
 

www.schwebefaehre.org




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