Investorengemeinschaft Nachhaltige Regionalwirtschaft Oberndorf INRO GbR 2. Pfarrgang 5 21787 Oberndorf Berlin, den 05.05.2013 EXPERTISE Public-Private-Partnership (PPP) Modellebei öffentlichen Schulen (Sanierung) Untersuchung eines dritten Modellweges Prof. Dr. Stephan Breidenbach Dean HUMBOLDT-VIADRINA School of Governance Einleitung Public Private Partnership (PPP) verfolgt das Ziel einer langfristig angelegten Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft über den gesamten Lebenszyklus öffentlicher Infrastrukturprojekte. Diese sollen dadurch effizienter und zügiger realisiert werden. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) schreibt in seinem Leitfaden PPP- Schulstudie: „in geeigneten Fällen und bei sorgfältiger Projektvorbereitung kann über PPP-Modelle die Beschaffung öffentlicher Investitionen schneller, früher und wirtschaftlicher sichergestellt werden, ohne aufgrund einer materiellen Privatisierung die Gesamtverantwortung für die Daseinsvorsorge und die damit verbundenen Risiken aus den Händen zu geben. PPP ist somit ein 'dritter Weg'.“ Public-Private-Partnership Modelle werden in Deutschland sehr polarisiert wahrgenommen. Während Befürworter sie als Chance sehen, privates Kapital zu mobilisieren und Leistungen effizienter bereitzustellen, führen Kritiker anhand negativer Beispiele auf, dass finanzielle Risiken häufig auf eine weniger professionell aufgestellte öffentliche Hand abgewälzt werden, indem die Privaten dank teurer Anwälte derart umfangreiche Vertragswerke aushandeln, die von staatlicher Seite nicht mehr überblickt werden können. Ziel dieser Expertise soll es sein, einen Überblick über PPP zu geben, speziell als Option der Schulsanierung für kleinere Kommunen. Neben einer klaren Definition und dem Aufzeigen der Vorzüge aus empirischen Erfahrungen sollen insbesondere die relevanten Chancen und Risiken herausgearbeitet werden, die es für ein Modell wie das konkret für Oberndorf vorgeschlagene zu berücksichtigen gilt. 2 1. Definition & Formen von PPP PPP-Projekte sind charakterisiert durch eine langfristige vertragliche Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft mit einer sachgerechten Risikoverteilung und umfassenden Verantwortlichkeiten auf der privaten Seite. PPP bedeutet die Kooperation von öffentlicher Hand und privater Wirtschaft bei der Planung, der Erstellung, der Finanzierung, dem Betreiben oder der Verwertung von bislang staatlich erbrachten Leistungen. Im Rahmen von PPP tritt die öffentliche Hand im Wesentlichen als Nachfrager von Dienstleistungen auf; die von Privaten erbrachten Leistungen werden auf der Basis vertraglicher Vereinbarungen vergütet. [Bertelsmann et al. 2003] Von Public Private Partnerships als Form der Einbindung Privater in die Erledigung von Daseinsvorsorgeaufgaben erhofft man sich zum einen die Mobilisierung privaten Kapitals, zum anderen aber auch eine höhere Effizienz bei der Bereitstellung der beauftragten Leistungen. Im Fokus der politischen Diskussion steht bis heute die Finanzierungsfunktion, d.h. die Attrahierung (zusätzlicher) privater Finanzmittel für bisher aus öffentlichen Haushalten bezahlte Infrastrukturvorhaben. Dabei ist die private Finanzierung zwar ein wichtiges, aber nicht das ausschließliche Merkmal einer PPP. Vielmehr stellen PPP auf Effizienzgewinne ab, die sich aus einer Lebenszyklusbetrachtung für das Vorhaben ergeben. Die privaten Unternehmen stellen statt isoliert erbrachter Bau-, Betriebs-oder Finanzierungsleistungen umfassende Problemlösungen bereit, die eine Effizienzoptimierung über den gesamten Projektlebenszyklus verfolgen. Hierbei wird ein Risikotransfer auf Private angestrebt. Charakteristisch für PPP ist daher der dauerhafte oder zumindest langfristige Leistungsverbund von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen. PPP-Projekte weisen typischerweise Laufzeiten von mehr als zehn bis zu 30 Jahren auf. Jährlich werden in Deutschland bis zu drei Dutzend PPP-Modelle vergeben. Auf Bundesebene fokussiert sich dies v.a. auf den Straßenbau, auf kommunaler Ebene auf den Hochbau, vornehmlich Schulen und Verwaltungsgebäude. Gut 30% aller PPPs werden im Schulsektor abgeschlossen, weitere 30% im Bereich Gesundheit, Sport und Erholung. Bis Ende 2011 wurden insgesamt etwa 1,8 Mrd. EUR in PPPs im Bildungsbereich investiert. Laut Schätzungen des Deutschen Städte-und Gemeindebunds beläuft sich der bundesweite Sanierungsstau an öffentlichen Schulgebäuden auf 73 Mrd. EUR bis 2020 (Bracher et al, 2008), die KfW geht immerhin von mehr als 25 Mrd. EUR aus (von Hebel et al, 2011). Allein mit öffentlichen Ressourcen ist dieser erhebliche Investitionsbedarf nicht zu bewältigen. Selbstverständlich werden bereits bei der konventionellen Realisierung von Infrastrukturprojekten unter staatlicher Regie einzelne Aufgaben von Privaten übernommen. So übertragen die Gebietskörperschaften bei Infrastrukturmaßnahmen regelmäßig die eigentliche Bauausführung an private Unternehmen und nutzen dabei das Instrument des Ausschreibungswettbewerbs. Auch im Hinblick auf die Planung werden Teilleistungen oder ganze Leistungspakete von privaten Firmen erbracht. Dagegen erfolgt die Finanzierung 3 vieler Projekte traditionell fast ausschließlich aus öffentlichen Haushalten; auch die Instandhaltung und die Bewirtschaftung sind sehr oft Aufgabe der öffentlichen Hand (z.B. beim Straßenwesen). Anders gestaltet sich die Aufgabenverteilung bei den verschiedenen PPP-Modellen. Nach den jeweils vorherrschenden Leistungs-bzw. Aufgabenschwerpunkten wird zwischen Finanzierungs-, Betreiber-, Konzessions-und Kooperationsmodellen differenziert: • Finanzierungsmodelle übertragen allein die Finanzierungsfunktion an Private, d.h. es werden langfristig private Finanzmittel für die Realisierung einer Maßnahme (zur Vorfinanzierung) in Anspruch genommen. Kritisch ist hier anzumerken, dass gerade der Staat auf den Kapitalmärkten die günstigsten Refinanzierungskonditionen in Anspruch nehmen kann und die postulierten sonstigen Effizienzvorteile privatwirtschaftlichen Engagements hier nicht zum Tragen kommen. • Größere Vorteile versprechen Betreibermodelle, bei denen ein privater Akteur ganz oder teilweise die Finanzierung, den Bau und den Betrieb eines Infrastrukturprojekts übernimmt. Eine oft gewählte Realisierungsform ist das BOT-Modell (Build-Operate-Transfer), bei dem das Eigentum an der Infrastruktur am Vertragsende auf den Staat übergeht. In jedem Fall verbleibt die finale Verantwortung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe und die Gebührenhoheit beim Staat. Mit dem privaten Betreiber wird die Zahlung von Betreiberentgelten vereinbart. • Bei Konzessionsmodellen wird dem privaten Konzessionär im Vergleich zum Betreibermodell zusätzlich das Recht eingeräumt, sich über direkte Nutzungsentgelte zu refinanzieren. Hier trägt der Konzessionär das Auslastungsrisiko, das beim Betreibermodell zumeist nicht geregelt oder auf den Staat verlagert wird. Sowohl beim Betreiber-als auch beim Konzessionsmodell können Planungsaufgaben an den privaten Partner übertragen werden (z.B. beim Modell DBFO – DesignBuild- Finance-Operate). • Eine weitere Organisationsalternative bildet das Kooperationsmodell, in dem öffentliche Aufgabenträger und private Unternehmen zur Aufgabenerfüllung eine gemeinsame privatrechtliche Gesellschaft gründen. Jede dieser Formen bringt Vor-und Nachteile mit sich und muss in ihrer Eignung für das jeweilige Vorhaben gründlich abgewogen werden. Das grundsätzliche Zustandekommen einer wirtschaftlichen Transaktion setzt das wechselseitige Interesse der Akteure daran voraus. Hieraus kann jedoch keine generelle Übereinstimmung der Ziele von öffentlichen und privaten Akteuren in einer PPP abgeleitet werden. Aus dem öffentlichen Interesse an einer möglichst effizienten Aufgabenerfüllung einerseits und dem Gewinnmaximierungskalkül privater Unternehmen andererseits erwächst vielmehr ein grundlegender Zielkonflikt zwischen den Parteien. Realistischerweise bringen PPP neben Chancen für Private und Freiräumen für die öffentliche Hand auch Interessengegensätze mit sich, die gegebenenfalls zu Lasten der Gegenpartei und der Gesellschaft insgesamt ausgespielt werden. Der maßgebliche Erfolgsfaktor einer PPP ist daher die Schaffung geeigneter Beherrschungs-und Überwachungssysteme (Governance Strukturen) bzw. das Setzen zieladäquater Anreize für die privaten Akteure. 4 2. Bedeutung von Governance Der hierarchische Staat steht heute nicht mehr in allen Politikfeldern im Zentrum. Es hat eine Ausdifferenzierung staatlichen Handelns auf verschiedenen Ebenen stattgefunden, so dass zusätzliche Akteure wie privatwirtschaftlich organisierte, zivilgesellschaftliche und NGOs in den politischen Arenen mit agieren. Neuartige Akteurkonstellationen in Form von Kooperationen wie dem PPP sind in bestimmten Bereichen sogar vorherrschend geworden. Damit wird ein Steuerungsbegriff, der an Staat, Hierarchie und lineare Ursache-Wirkungsbeziehungen gekoppelt ist, zu eng. Seit Ende der 1980er Jahre hat sich – aus dem angelsächsischen Raum kommend – ein Begriff etabliert, der diese Sachverhalte reflektiert. Governance bezeichnet allgemein das Steuerungsund Regelungssystem im Sinn von Strukturen (Aufbau-und Ablauforganisation) einer politischgesellschaftlichen Einheit wie Staat, Verwaltung, Gemeinde, privater oder öffentlicher Organisation. Häufig wird es auch im Sinne von Steuerung oder Regelung einer jeglichen Organisation (etwa einer Gesellschaft oder eines Betriebes) verwendet. Eine gelungene Governance erfordert von der staatlichen Seite, neue Fähigkeiten in der öffentlichen Verwaltung zu erwerben und neue Institutionen und Verfahren zu etablieren. Regierungen müssen sich in PPPs auf Aufsicht und Regulierung konzentrieren, statt auf direkten Besitz und Kontrollen. Ziele und im Idealfall auch Ergebnisse gelungener Governance im Kontext von PPP-Modellen sind Transparenz, öffentliche Rechenschaftslegung und Nachhaltigkeit: - Transparenz bezieht sich auf den Grad, in dem Informationen offen und zugänglich für alle Beteiligten in einem Projekt verfügbar sind. Die Anwendung transparenter Verfahren in allen Phasen der PPP-Vergabe schränkt die Verwendung von Bestechung und andere Formen der Korruption ein. Insbesondere sollte die Aufmerksamkeit in jedem Schritt der Ausschreibung gegeben werden, um sicherzustellen, dass ein transparentes Vorgehen gegeben ist, v.a. bei der Vorbereitung der Ausschreibung und der Formulierung von Bewertungskriterien. Transparenz sollte auch angewendet werden, wenn Projekte auf Probleme stoßen und Streitigkeiten auftreten. Dies erfordert die Schaffung von wirksamen Streitbeilegungsverfahren. Die Endbegünstigten der Transparenz sind die Bürgerinnen und Bürger. Sie sollten nicht mehr als "Außenstehende" des Projekts gesehen werden und die Möglichkeit haben, konsultiert und in jeder Phase informiert zu werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen. Öffentliche Informationsveranstaltungen vor der endgültigen Genehmigung eines Projekts erzeugen ein besseres Verständnis der Gemeinde für das Projekt und fördern eine offene Debatte. Das typische Argument, PPPs seien zu "technisch" als dass Bürger sie verstehen könnten, ist nicht gültig. Die politische Führung sollte sicherstellen, dass die Öffentlichkeit für die relativen Kosten, Nutzen und Risiken des PPP gegenüber der konventionellen Beschaffung sensibilisiert wird. Bürger und vor allem Nutzer sollten bei der Definition des Projekts und anschließend bei der Überwachung der Service-Qualität eingebunden sein. Definierte Ziele führen zu einer besseren Übereinstimmung 5 zwischen Nutzeranforderungen und Service-Angebot – Nutzer wissen dadurch wiederum, was sie erwarten dürfen und können Druck auf den Dienstleister ausüben, die abgestimmten Service- Standards zu erfüllen. Darüber hinaus führt die Einbindung der Endnutzer in die Gestaltung und Überwachung des PPP zu einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass das PPP als legitim, fair und verständlich empfunden wird. Eine unabhängige öffentliche Aufsicht der PPP-Implementierung führt zudem zu nützlichen Benchmarks für die Gesellschaft als Ganzes. - Öffentliche Rechenschaftslegung bezieht sich auf den Prozess, durch den Menschen und Behörden mit der Erbringung öffentlicher Ressourcen in Rechenschaft gezogen werden für ihren Erfolg oder Misserfolg in der Erfüllung ihrer Aufgaben. Dies kann durch Auditing getan werden, um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit angemessene Leistung für Geld empfangen hat und über ein Management-Kontrollsystem (Bestimmung von Zielen und Möglichkeiten, um Erfolg zu messen, Belohnung von Compliance, etc.), das den privaten Sektor bei der Erreichung der Ziele während aller Phasen eines Projektes überwacht. Darüber hinaus müssen die vollen Kosten des Projekts für die Öffentlichkeit vollständig offengelegt werden. Es sollte eine wirksame Überwachung und öffentliche Berichterstattung über die Ergebnisse durch eine unabhängige dritte Partei erfolgen. Verschiedene Mechanismen bieten sich an um sicherzustellen, dass PPPs ihre Ziele erfüllen. Zum Beispiel die Veröffentlichung von Soll-Ist Zwischenergebnissen wie das Erreichen von Fertigstellungsterminen und das Einhalten von Kostenvorgaben. Während des Betriebs empfehlen sich Nutzerbefragungen um die Qualität der erbrachten Dienstleistung zu erheben. Das Gewinnstreben des privaten Sektors kann so genutzt werden, um Verbesserungen z.B. bei den Bildungsstandards zu erreichen. - Nachhaltigkeit bedeutet sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Gegenwart in sozial verantwortlicher Weise erfüllt werden, ohne dabei die Fähigkeit zu gefährden, die Bedürfnisse zukünftiger Generationen zu befriedigen. Eine der ursprünglichen Motivationen für staatliche Akteure, PPPs einzugehen, waren finanzielle Einsparungen. Der private Sektor stellte die Finanzierung für ein Projekt bereit, das nicht aus dem Staatshaushalt bezahlt werden konnte. Doch zunehmend erfährt diese Motivation für PPPs einen Wandel. Regierungen verstehen die Ressourcen, die dem privaten Sektor zur Verfügung stehen, als notwendig für die Adressierung von Gebieten wie Armut, Bildung, Gesundheit und Obdachlosigkeit. Auch sind ökologische Belange zu einem Faktor für die Entscheidung für ein PPP. Investoren in PPPs haben ebenfalls einen finanziellen Anreiz für die Berücksichtigung von Umweltbelangen, da die effektive Nutzung der Ressourcen und die Reduzierung von Abfällen sowohl bei Design als auch beim Bau die Lebenszykluskosten bedeutend senken – und damit die Margen erhöhen. Auch Bürger zu fordern von ihren Regierungen mehr Aufmerksamkeit bzgl. der sozialen und ökologischen Auswirkungen von Projekten. Umsomehr sollten PPPs vermehrt auch auf Grundlage von Faktoren wie regionaler Wertschöpfung, der Sicherung von Arbeitsplätzen und einer zukunftsorientierten ökologischen Zielsetzung realisiert werden. Hierfür können starke Anreize gesetzt werden, indem bereits die Ausschreibung z.B. klar definierte Umweltziele vorgibt. 6 Governance kommt in PPPs insbesondere bei einem der kritischsten Punkte zum Tragen: dem Auftreten von Nachverhandlungen. Bislang sind nahezu alle PPPs, die ursprünglich als vielversprechend galten erst aufgrund von Nachverhandlungen unvorteilhaft geworden, da die Kosten teilweise drastisch erhöht wurden oder gar das Projekt gänzlich gescheitert ist. Es gibt einige häufige Ursachen für die Notwendigkeit von Neuverhandlungen. Aus staatlicher Sicht zählen dazu typischerweise, wenn steuerliche Regelungen (Steuern, Zölle, Subventionen) verändert werden und dadurch das wirtschaftliche Gleichgewicht der PPP-Kooperation betroffen ist. Aber auch das Erzielen einer unerwartet hohen Rendite seitens des privaten Partners aus dem Betrieb aufgrund von Rückgängen z.B. bei Rohstoffpreisen oder gesetzliche Zwänge, neue technische und ökologische Standards einzuführen, können zu einem Verhandlungsbedarf führen. Auf der anderen Seite kann für den privaten Partner Nachverhandlungsbedarf auftreten, wenn durch unvorhergesehene Ereignisse (wie z.B. neue Kostenbasis) die Wirtschaftlichkeit des PPP-Vertrages unhaltbar wird, wenn neue Verpflichtungen wie Umweltauflagen auf den PPP-Vertrag wirken oder neue gesetzliche Bedingungen wie Mindestlöhne die minimal erhoffte Rendite nachteilig beeinflussen. Unbedingt zu vermeiden sind Vorfälle, bei denen die öffentliche Hand wegen Drucks aus der Zivilgesellschaft versucht, die Regeln zu ändern, nachdem eine Einigung erzielt wurde. Dem kann nur durch Transparenz (s.o.) und der intensiven Einbindung der Bürger während des Ausschreibungsprozesses vorgebeugt werden. Klauseln zum Thema Nachverhandlungen sollten beschränkt sein auf Ereignisse, die außerhalb der Kontrolle von beiden Parteien liegen (höhere Gewalt). Typischer Weise wird das Auftreten von Ereignissen beschrieben, die grundlegend das Gleichgewicht des Vertrages verändern, sei es, weil es die Kosten für die Leistung einer Partei erhöht oder weil der Wert der Leistung den eine Partei erhält abnimmt, und (a) die Ereignisse treten ein oder werden den Benachteiligten nach Abschluss des Vertrages bekannt, (b) die Ereignisse konnten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages durch die benachteiligte Partei nicht berücksichtigt werden, (c) die Ereignisse liegen außerhalb der Kontrolle der benachteiligten Partei; und (d) das Risiko eines solchen Ereignisses wurde nicht durch die benachteiligte Partei übernommen. Bei Nachverhandlungen muss das Preis-Leistungs-Verhältnis beibehalten werden. Jede Neuverhandlung sollte transparent erfolgen und den üblichen Verfahren der Public-Private Partnership unterliegen. Klare, berechenbare und transparente Regeln für die Beilegung von Streitigkeiten sollten vorhanden sein. Um eine möglichst reibungslose Durchführung des PPP zu erzielen, sollten Risiken bei dem Partner liegen, der sie am besten handhaben kann. Risiken sollten klar definiert, identifiziert und gemessen werden und durch die Partei übernommen werden, für die eine Vermeidung des Risikos oder dessen Übernahme am wenigsten kostet. Neue, schnelle Methoden zur Lösung von Streitigkeiten müssen verhandelt werden, um bei Unstimmigkeiten eine Störung der grundlegenden Dienstleistungen für die Bürger zu vermeiden. Ein Rechtsstreit ist selten eine praktikable Lösung wo schnelle Abhilfe erforderlich ist. Generell haben Mediation und effiziente Schiedsverfahren eine hohe Bedeutung in PPPs. Richtig angegangen sollten Konflikte innerhalb PPPs zu kreativen und konstruktiven Ergebnissen führen. Sie sollten das gegenseitige Vertrauen erneuern, das die Grundlage der Partnerschaft ist. 7 3. Leistungsqualität von PPP bei öffentlichen Gebäuden / Schulen Bislang liegen in Deutschland nur wenige Studien vor, die empirisch erheben, welche qualitativen Auswirkungen PPPs auf die Leistungserbringung hatten. Insbesondere fehlen sogenannte Benchmarks, die als Vergleichsmaßstab dienen könnten, um auch relative Aussagen über das einzelne Projekt hinaus treffen zu können. Weiland und Pfnür haben 2009 eine umfassende Studie zu Schulsanierungen in Form von PPPs veröffentlicht, deren Ergebnisse durchweg vielversprechend klingen. Grundlegende Aussage ist dabei, dass eine Sanierung des Schulgebäudes nachweislich zu einer höheren Zufriedenheit der Nutzer führt und damit zu einer höheren Schulqualität. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob die Sanierung durch die öffentliche Hand oder durch Private durchgeführt wurde. Wichtig ist lediglich, dass die Sanierung zügig erfolgt. Je länger ein Gebäude unsaniert bleibt, desto stärker wird die Unzufriedenheit, während die Zufriedenheitswerte über mehrere Jahre stabil hoch bleiben, nachdem die Sanierung erfolgt ist. Dies erscheint angesichts des massiven Sanierungsstaus bei öffentlichen Schulgebäuden eine bedeutende Aussage. Konkret stellten Weiland und Pfnür fest, dass die Schüler nach der Sanierung ihrer Schulen deutlich zufriedener waren. Zufriedenheit mit der baulichen Schulumwelt wiederum führt zu deutlich weniger Vandalismus bei den Schülern, verringert also auch den Instandhaltungsaufwand des Betreibers. Das Private Facility Management wird in den untersuchten Schulen als sehr positiv wahrgenommen und verbessert sich im Lauf der Zeit sogar, wenn sich die Kooperation mit dem Betreiber eingespielt hat. Die größten Auswirkungen der Sanierung waren bei den Lehrern feststellbar. Insbesondere die Arbeitszufriedenheit der Lehrer stieg deutlich (und langfristig) an, was erfahrungsgemäß zu gesteigerter Unterrichtsqualität führt und das Unterrichtsklima verbessert. Das Engagement der Lehrer nahm zu genauso wie ihre Identifikation mit der Schule und folglich ihre Loyalität der Schule gegenüber. Dies führt insgesamt zu einer besseren Schulqualität. Weiland und Pfnür stellen fest: „Der Kritik an PPP-Modellen, dass die Leistung der privaten Partner aufgrund von Kosteneinsparungen geringer sein muss, kann mit diesen Ergebnissen nicht belegt werden.“ Verbesserungspotenzial zeigte sich vor allem im Bereich der Kommunikation der privaten Partner insbesondere mit der Lehrerschaft. Ebenso wird von den Autoren empfohlen, Mitgestaltungsmöglichkeiten für alle Nutzer zu schaffen, beispielsweise bei der Raumausstattung und Innengestaltung sowie dem Schulhof und den Sanitäranlagen – dieses Thema gilt grundsätzlich für beide Parteien eines PPP, da auch die staatliche Seite hier selten die vorhandenen Möglichkeiten ausschöpft. Da Neuerungen, die den eigenen Entscheidungen entstammen, automatisch aufgewertet werden, könnte dies eine (noch) höhere Zufriedenheit herbeiführen sowie eine noch stärkere positive Einstellung zur Schule und das Verantwortungsbewusstsein fördern. Zudem schätzen die Nutzer der Studie Energieeinsparungen und Umweltaspekte bei der Sanierung als sehr wichtig ein – eine Berücksichtigung dieses Wunsches könnte ebenfalls eine positive Einstellung zur Schule fördern. 8 Empirisch belegt ist insofern, dass eine schnelle Sanierung von Schulen durch PPPs eine positive, nachhaltige Auswirkung auf die Schulqualität hat. Die positive Wahrnehmung der Investition und des Betriebs mittels PPP hält auch über die Investitionsphase hinaus an. Essentiell für das Erzielen eines solchen Ergebnisses bleibt selbstverständlich, dass die Ziele zuvor klar definiert wurden und die Nutzer des Gebäudes frühzeitig in deren Formulierung und dauerhaft in deren Überwachung mit eingebunden werden. 9 4. Umsetzungsschritte eines PPP Um ein PPP für eine Schulsanierung umzusetzen werden in der einschlägigen Literatur vier Schritte empfohlen: 1. Schulen auf Eignung prüfen (Eignungstest) 2. Wirtschaftlichkeitsprognose 3. Ausschreibung nach Zielen (outputorientiert) 4. Verträge abschließen Dabei sind folgende Voraussetzungen grundlegend zu prüfen: Projektunabhängig sollte eine grundsätzliche Bereitschaft in der Verwaltung bestehen, ein PPP umzusetzen sowie die notwendigen Ressourcen, um sich die notwendigen Kenntnisse und Informationen anzueignen. Erst dann beginnt die strategische Vorbereitung, bei der die Notwendigkeit der Investitionen zu prüfen ist, relevante Eckdaten und Ziele erfasst werden sowie die bestehenden Schulen einem Eignungstest (Empfehlung des BMVBS) unterzogen werden. Wichtig ist in der Folge, eine höchstmögliche Transparenz hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Optionen (z.B. Eigensanierung, Schulschließung, PPP) zu schaffen um die realen Kosten vergleichen zu können. Auch hierfür liegen auf Bundesebene Rechenmodelle und -beispiele vor, die das Vorgehen bestmöglich unterstützen können. Für viele Verwaltungen neuartig aber dennoch von hoher Relevanz ist die outputorientierte Ausschreibung. Bisher wurden öffentliche Bau-und Sanierungsvorhaben nahezu ausschließlich auf Basis einer inputorientierten Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis ausgeschrieben. Diese Form der Ausschreibung erfordert eine detaillierte Erfassung und Beschreibung der Leistungen der einzelnen Gewerke und der zu verwendenden Materialien und Ausrüstungen durch die öffentliche Hand. Vor dem Hintergrund, dass in einem PPP-Projekt die Verantwortung für die bauliche und betriebliche Qualität über die gesamte vertraglich vereinbarte Laufzeit (20-30 Jahre) in der Risikosphäre des privaten Partners liegt, ist eine inputorientierte Beschreibung der Leistung nicht sinnvoll, da Ausschreibungen, in denen die gewünschten Leistungen durch den Auftraggeber detailliert beschrieben werden, wenig oder sogar keinen Raum für Innovationen und die Kreativität der Bieter eröffnen. Ein Wettbewerb der Bieter findet bei inputorientierten Ausschreibungen grundsätzlich nur auf preislicher Ebene statt. Durch die Einbeziehung verschiedener gestalterischer, technischer und wirtschaftlicher Lösungen in einen PPP- Wettbewerb wird der Weg von einem reinen Preiswettbewerb hin zu einen Preis-und Leistungswettbewerb, bei Einhaltung der durch den Auftraggeber zuvor definierter Mindeststandards, eröffnet. Im PPP-Verfahren wird dies durch eine outputorientierte Leistungsbeschreibung gefördert. In der outputorientierten Leistungsbeschreibung werden Ergebnisse und Zielgrößen sowie Leistungen definiert, die für die Bau-und die Betriebsphase der Schule notwendig sind. Das Erreichen dieser Ergebnisse und 10 Zielgrößen ist Aufgabe des privaten Partners. Das bedeutet, dass die Öffentliche Hand die vom privaten Partner zu erbringenden Leistungsziele und einzuhaltenden Mindeststandards beschreibt, den Weg zur Erreichung derselben jedoch offen lässt. (Rauschenbach et al, 2007) Gerade wegen der Offenheit des Lösungsweges bei der outputorientierten Leistungsbeschreibung ist bei deren Ausgestaltung besondere Sorgfalt geboten. Die nachgefragten baulichen Funktionen und betrieblichen Standards müssen so genau und vollständig wie möglich beschrieben werden. Ziel ist es, den Beschaffungsbedarf der Öffentlichen Hand zu decken und das Risiko von nachträglichen Änderungen zu minimieren. Im Gegensatz zur konventionellen Beschaffung ist Public Private Partnership durch eine langfristige, ganzheitliche und vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben charakterisiert. Hierbei übernimmt der private Auftragnehmer nicht nur die Planung und Herstellung, sondern regelmäßig auch den Betrieb, die Finanzierung und ggf. die Verwertung des Projektgegenstandes. Dieser Lebenszyklusansatz führt dazu, dass nicht einzelne Leistungspakete (Einzelgewerke etc.) getrennt vergeben werden, sondern die Öffentliche Hand sämtliche Projektleistungen an einen privaten Auftragnehmer vergibt. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragspartner (Öffentliche Hand und privater Auftragnehmer) werden regelmäßig in einem einheitlichen Vertragswerk geregelt. Grundsätzlich bestehen zwei verschiedene Modelle für die vertraglichen Beziehungen: - Das derzeit überwiegende Inhabermodell, bei dem der private Partner als Dienstleister agiert aber zahlreiche Risiken bei der Gemeinde verbleiben – insbesondere aufgrund der häufigen Finanzierungsvariante „Forfaitierung mit Einredeverzichtserklärung“, die eine starke Einschränkung der Mitspracherechte der Gemeinde zur Folge hat - Ein Mietmodell mit parallel laufendem Erbbaurecht einschließlich definiertem Heimfall der Gebäude an die Kommune bei Vertragsbeendigung, das die öffentliche Hand um einige wesentliche Risiken entlastet. Weitere Details zu diesen Modellen folgen weiter Unten und können in Gänze bei den PPP-Leitfäden der Schulstudie des BMVBS (Rauschenbach et al, 2007) nachgelesen werden. 11 5. Elemente des vorgeschlagenen PPP für Oberndorf (Oste) Die bisher am häufigsten verbreitete Form von PPP im Schulbereich ist zivilrechtlich ein Typenmischvertrag: als Werkvertrag mit Dauerschuldcharakter fließen dazu Dienstleistungs-und Finanzierungselemente ein. Der private Partner übernimmt anhand der Ausschreibung die Verantwortung für Sanierung und Betrieb, Eigentümer bleibt die Kommune. Die monatliche Entschädigung an den privaten Partner finanziert seine Baukosten, Instandhaltungsrücklage, den Betrieb, Gemeinkosten sowie einen finanziellen Bonus, der meist daraus besteht, erzielte Kostensenkungen zu einem vereinbarten Verhältnis zwischen den Parteien zu teilen. Das Entgelt resultiert somit in einer Vollarmortisation für den privaten Partner. Die öffentliche Hand trägt dabei das Risiko für eine zufällige Verschlechterung des Objektes nach Abnahme sowie das Verwertungsrisiko nach Vertragsende. Der vom BMVBS zur Verfügung stehende Vertragsentwurf sieht zahlreiche Punkte vor, wo Teuerungen durch die öffentliche Hand getragen werden müssen. Das BMVBS hat im Mai 2007 als Alternative dazu ein Mietmodell mit Erbbaurecht vorgestellt. Zivilrechtlich wird ein atypischer Mietvertrag auf erbbaurechtlicher Grundlage geschlossen, Erbbaurecht und Mietzeit erhalten dieselbe Laufzeit. Die monatliche Miete stellt lediglich eine Teilamortisation für den privaten Partner dar, dafür erhält dieser mit Ablauf der Vertragslaufzeit eine Restwertentschädigung für den Verkehrswert des Gebäudes; durch Bonus belohnt wird nicht eine Kostensenkung, sondern eine besonders hohe Qualität der erbrachten Leistung. Es fallen in diesem Modell weder Grunderwerbssteuer noch Grundsteuer an. Zudem besteht Umsatzsteuerbefreiung für die Hauptleistung sowie unselbständige Nebenleistungen; da die öffentliche Hand gezahlte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer geltend machen kann, entstehen in diesem Modell finanzielle Spielräume für beide Seiten. Die oben genannten Risiken für eine Verschlechterung des Objektes und das Verwertungsrisiko liegen hier beim privaten Partner, nur noch wenige Nebenkosten können sich für die Gemeinde als Mieterin verteuern. Die Investorengemeinschaft Nachhaltige Regionalwirtschaft Oberndorf GbR (INRO) hat nach Kenntnisstand des Verfassers ein PPP vorgeschlagen, dass in seiner Umsetzung noch einen Schritt weiter geht, als das oben beschriebene Mietmodell. Das Gebäude soll durch Abschluss eines Kaufvertrages in das Eigentum des privaten Partners übergehen. Die Kommune (Schulträger) wird Mieter und kann darüber hinaus entweder beim privaten Partner oder einer dritten Partei die Dienstleistungen des Schulmanagements in Auftrag geben. Dieses Modell hat einen vergleichsweise höheren Grad an Privatisierung zur Folge, da der private Partner das Gelände einer Drittnutzung außerhalb der Schulzeiten zuführen kann und somit eine optimalere Verwertung erzielbar sein könnte. Gleichzeitig verringern sich die Teuerungsmöglichkeiten ggü. der Gemeinde als Mieterin auf die jährliche Inflationsrate, so dass weitere finanzielle Risiken auf den privaten Partner übergehen. Im Einzelnen sollen die drei gekoppelten Verträge folgende Elemente beinhalten: 1. Ein notarieller Kaufvertrag für das Gebäude und Grundstück über einen zu verhandelnden Kaufpreis, gebunden an den Abschluss eines Mietvertrages (s. 2.) 12 2. Ein Mietvertrag zwischen der Samtgemeinde und dem privaten Partner, der folgende Punkte regeln sollte . jährliche Betriebskosten . Kosten für Wärme . Kosten für Strom . Nutzungsdauer . Nutzungsart 3. Ein Dienstleistungsvertrag zwischen der Samtgemeinde und einer juristischen Person (ggf. dem Käufer) über die Erbringung von Schulmanagementleistungen, u.a. . Sekretariat . Koordinierung von Fahrdiensten . Reinigung der Räumlichkeiten & Pflege der Außenanlage (Hausmeister) Die Frage des Kaufpreises stellt beide Parteien vor eine Herausforderung aufgrund der bundesweiten Einführung der doppelten Buchführung (Doppik) in den Kommunen. Generell sind dabei Anschaffungs-oder Herstellungskosten (AHK) vermindert um Abschreibungen für die Bilanzierung von Anlagevermögen vorgeschrieben. Weitere mögliche Ansätze aus dem Rechnungswesen sind die sogenannten Zeitwerte, also entweder ein Verkehrswert aufgrund von Ertrag oder Marktvergleichen, oder ein Wiederbeschaffungswert – also Werte, die sich am Markt orientieren. Wenn die Gemeinde nun ein Gebäude veräußert, ist sie haushaltstechnisch gezwungen, einen höchstmöglichen Kaufpreis zu erzielen ggü. dem Buchwert. Häufig jedoch weicht dieser Wert drastisch ab von einem Zeit-und damit Marktwert des Gebäudes. Hier einen geeigneten Kompromiss zu finden ist Teil der Wirtschaftlichkeitsanalyse, bei der ein transparenter Vergleich des PPP mit den Kosten der Eigenleistung oder auch Schulschließung eine wichtige Rolle spielen dürfte. Insofern ist auch die Prüfung des oben beschriebenen Mietmodells als Alternative empfehlenswert. Ein 'drittes' PPP-Modell erscheint für die Gemeinde vor allem dann attraktiv, wenn die Kosten ggü. dem bisherigen (Schul-)Betrieb deutlich verringert werden können und gleichzeitig eine Verbesserung der Schulqualität durch eine umfassende Sanierung erzielt wird. Allerdings erscheint es dem Verfasser wichtig, dass auf Seiten des privaten Partners ein Unternehmen steht, das in die Gemeinde eingebunden ist und einen engen Bezug zu den Bürgern und Nutzern vor Ort hat. Eine derart weitgehende Privatisierung könnte im Negativfall die Qualität der erbrachten Leistung deutlich verringern. Dem kann lediglich dadurch entgegen gewirkt werden, dass die Investoren und Leistungserbringer aufgrund ihres persönlichen Bezugs zum Ort einen hohen Anreiz haben, eine sozial verträgliche Ausgestaltung zu wählen und keine reine Gewinnmaximierung zu verfolgen. Sowohl in Niedersachsen als auch bundesweit findet ein demographischer Wandel statt, der sich vor allem in ländlichen Regionen bereits in den kommenden fünf Jahren bemerkbar macht: nachdem die Zahl der Einschulungen in den vergangenen 10 Jahren bereits um 16% gesunken ist, kommen heute im Durchschnitt nur noch 15 Schüler auf eine Grundschullehrkraft in Niedersachsen (Statistisches Bundesamt, 2012), etwa die Hälfte aller Grundschulen im Elbe-Weser-Raum ist in ihrem Bestand gefährdet (IHK Stade, 2013). Dabei ist ein hochwertiges, flächendeckendes Bildungsangebot vor allem im Primarbereich essentiell, um junge 13 Familien auf dem Land zu halten – eine weitere Verstädterung hätte für den ländlichen Raum eine Verschärfung der Folgen des demographischen Wandels zur Folge. „Die Bildungsinfrastruktur zählt zu den wichtigsten Standortfaktoren einer Region“ (IHK Stade, 2013, S. 24). Um dem Teufelskreis von Urbanisierung und demographischem Wandel zu entgehen, könnte ein PPP in dieser Form eine mögliche Antwort bieten: die Kombination aus höherer Schulqualität bei geringeren Kosten könnte Familien im ländlichen Raum halten und sogar zum Zuzug bewegen. Ein weiterer Aspekt erscheint aus verwaltungstechnischer Sicht wichtig: PPP zu prüfen und durchzuführen erfordert personelle Ressourcen, die eine komplexe Qualifizierung durchlaufen haben. Niedersachsen hat nicht zuletzt deswegen mehrere Förderprogramme durchgeführt, um die Beratungskosten für Kommunen im Rahmen der PPP-Planung abzufedern. Doch selbst solche Programme erreichen faktisch nicht die kleinen Kommunen und Gemeinden, da hier die personelle Ausstattung viel zu gering ist – dabei sind diese vom demographischen Wandel mit am stärksten betroffen. Ein Lösungsansatz könnte hier die Bildung einer Plattform sein, die das vorhandene Erfahrungswissen zum Thema PPP bündelt und den Kommunen einen Teil der administrativen Durchführung abnimmt. Sollte es zur Durchführung des PPP in Oberndorf kommen, könnte eine wissenschaftliche Begleitung der Startschuss für eine solche Plattform sein. Als Projekt mit Pilotcharakter wäre die Untersuchung des Ablaufs von hoher Relevanz für die Überprüfung, ob solche Modelle durch Vereinfachung, Vereinheitlichung und eine unterstützende Plattform in größerem Maßstab übertragbar sind. 14 6. Chancen & Risiken von PPP-Modellen Wie in den vorherigen Abschnitten dargelegt, bieten PPP-Modelle aufgrund ihrer Gestaltungsvielfalt zahlreiche Chancen für eine vorteilhafte Ausgestaltung für beide Partner, sofern auf relevante Elemente geachtet wird. Typische Stärken eines PPP liegen in der Möglichkeit, Anreize zur Optimierung beim Betreiber zu setzen. Zwischen Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb entstehen beim privaten Partner Synergien, die insbesondere dort, wo der Investitionsanteil sehr hoch bzw. eine grundlegende Sanierung beinhaltet ist, beiden Parteien zugute kommen. Bonus-Malus-Systeme können zusätzliche Anreize setzen für eine hohe Qualität des privaten Anbieters. Anreize sollten auf die gesamte Lebensdauer der Infrastruktur ausgerichtet sein – bspw. eine Kompensationszahlung am Ende der Vertragslaufzeit in Abhängigkeit vom Zustand der Substanzqualität, oder indem der Betreiber die Zuständigkeit für die Verwertung nach Ende der Laufzeit (Weiternutzung durch Betreiber oder Dritte) erhält bzw. daran partizipiert. Je mehr der Lebenszyklusgedanke integriert wird, steigen auch die Anreize für den privaten Partner, Elemente der Nachhaltigkeit zu integrieren. Generell empfiehlt sich die Vorgabe von Nachhaltigkeitszielen (bspw. Energie-und Wasserverbrauch minimieren, regenerative Energiequellen, Klima-und Schadstoff-Emissionen minimieren, Nutzer des Gebäudes zu einem nachhaltigen Nutzerverhalten bewegen), um kommunale CO2-Vorgaben zu erreichen; ökologischer Einkauf ist bei der öffentlichen Hand bis dato wenig ausgeprägt und kann von den Privaten oft einfacher geleistet werden. Als positiv wird oft auch die geringe politische Einflussnahme auf die Finanzierung gesehen – dies gilt als effizienter, da Erhaltung und Betrieb keine politische Steuerung erfordern. Eine gut ausgearbeitete Beschreibung der Leistung erhöht die Angebotsqualität; die Instandhaltung und Beseitigung neuer Schäden erfolgt in der Regel deutlich schneller als bei einem öffentlichen Betreiber. Von den Privaten übernommene Mitarbeiter werden oft besser ausgestattet und geschult, erhalten dafür aber auch mehr Verantwortungsund Leistungsbereiche (Quack et el, 2007). Bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung lässt sich eine Risikoverteilung zugunsten der öffentlichen Hand erzielen, z.B. indem Baurisiken (Überschreitung von Terminvorgaben, Baukosten) vom Auftragnehmer getragen werden. Oft ist zudem die regionale Wertschöpfung und Unternehmensbeteiligung bei PPP höher, dies kann zudem zu einer Ausschreibungsbedingung gemacht werden. Risiken eines PPP liegen in der Schaffung eines effizienten Nachverhandlungsprozesses für Leistungs-und Vergütungsanpassungen im Lauf der Zeit; nach Möglichkeit sollte auch der Ermittlungsprozess für die jeweiligen Anpassungen festgelegt werden. Oft fehlen auf kommunaler Seite jedoch die Ressourcen für eine effiziente Gestaltung und Begleitung des PPP-Projektes. Studien zeigen, dass neben personellen Engpässen in Klein-und Mittelstädten häufig auch Schwierigkeiten mit der komplexen Rechtsmaterie auftreten und es teilweise zu Abstimmungsproblemen mit der jeweiligen Kommunalaufsicht kommt. Insgesamt jedoch haben sich sowohl extreme finanzielle und auf die Qualität von Leistungen bezogene Hoffnungen als auch Befürchtungen als übertrieben erwiesen – PPPs sind ein mögliches Beschaffungsmodell für die öffentliche Hand, kein Allheilmittel. 15 7. Fazit & Zusammenfassung PPP-Modelle bieten Chancen, insbesondere dem Sanierungsstau bei öffentlichen Schulen beizukommen. Von elementarer Wichtigkeit sind dabei folgende Aspekte: - Transparenz bzgl. der tatsächlichen Kosten für die alternativen Modelle (z.B. Eigenleistung oder Schulschließung), und zwar sowohl aus kommunaler Sicht als auch gesamtvolkswirtschaftlich betrachtet - Darauf aufbauend realistische Planzahlen für das mögliche PPP, um eine gründliche Wirtschaftlichkeitsprüfung durchführen zu können - ein tatsächlich kooperativer Ansatz zwischen privatem und öffentlichem Partner – die Einbindung der Nutzer und Bürger wie im Falle Oberndorf könnte hier positiv auf die Zielkonformität der Partner wirken - Ideal ausgestaltete Governancestrukturen, die ein Ausnutzen der mangelnden Expertise seitens der öffentlichen Hand durch den privaten Partner verhindern, die Risiken dabei angemessen verteilen. Grundsätzlich sind PPP-Modelle heute ein Bereich mit zahlreichen Erfahrungswerten. Es bestehen Kompetenznetzwerke um Kommunen und KMU beratend zu unterstützen, Musterverträge erleichtern die Umsetzung. Eine Umsetzung ist insofern auch für kleine Kommunen leistbar, sofern die vorhandenen Unterstützungsleistungen und Netzwerke ausgeschöpft werden. Innovative Wege wie das von der INRO vorgeschlagene Modell sollten durchaus in Betracht gezogen und im Vergleich mit den alternativen Optionen abgewogen werden. 16 Literaturhinweise Beckers, Thorsten; Klatt, Jan Peter (2009): Eine institutionenökonomische Analyse der Kosteneffizienz des PPP-Ansatzes. Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen 32, Jg. 4/2009, S. 325-338 Bertelsmann Stiftung, Clifford Chance Pünder, Initiative D21 (Hrsg.) (2003): Prozessleitfaden Public Private Partnership. Eine Publikation aus der Reihe PPP für die Praxis; Download unter: http://www.initiatived21.de Bracher, Tilman; Grabow, Busso; Schneider, Stefan; Seidel-Schulze, Antje; Reidenbach, Michael (2008): Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen – Ausmaß, Ursachen, Folgen, Strategien, Edition Difu (Deutsches Institut für Urbanistik), 4, 2008, 468 S. Deutsches Institut für Urbanistik (Difu) (2005): Public Private Partnership Projekte – Eine aktuelle Bestandsaufnahme in Bund, Ländern und Kommunen, Berlin Eisenkopf, Alexander (2007): Daseinsvorsorge mit Public Private Partnerships – ein dritter Weg? Wirtschaftsdienst 2007 – 11, S. 719-723 Gerstlberger, Wolfgang; Schmittel, Wolfram (2004): Public Private Partnership als neuartiges Regelungsmuster zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen, erschienen in „edition Hans-Böckler- Stiftung“, Düsseldorf von Hebel, Elisabeth; Jahn, Karin; Clausnitzer, Klaus-Dieter (Bremer Energie Institut) (2011): Der energetische Sanierungsbedarf und der Neubaubedarf von Gebäuden der kommunalen und sozialen Infrastruktur, November 2011 IHK Stade (2013): Schulatlas für den Elbe-Weser-Raum – Wird Bildung zur Fernreise?, Stade Institut für Wirtschaftsforschung Halle (2012): PPP in Deutschland – Der Schwung lässt nach, Pressemitteilung 21.02.2012 Kirchhoff, Ulrich; Müller-Godeffroy, Heinrich (1992): Finanzierungsmodelle für kommunale Investitionen, Stuttgart Mühlenkamp, Holger; Glöckner, Andreas (2009): Rechtsvergleich kommunale Doppik – Eine Synopse und Analyse ausgewählter Themenfelder des neuen, doppischen Haushaltsrechts der Bundesländer, Speyerer Forschungsberichte 260, Speyer OECD Principles for Public Governance of Public-Private Partnerships, verfügbar unter http://www.oecd.org/governance/oecdprinciplesforpublicgovernanceofpublic-privatepartnerships.htm PräsidentInnen der Rechnungshöfe (2011): „Gemeinsamer Erfahrungsbericht zur Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten“, herausgegeben von den Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, Wiesbaden, 14. September 2011, www.orh.bayern.de/files/ORH/Aufgaben/Zusammenarbeit/Bund%20und%20Laender/Gemeinsamer %20Erfahrungsbericht%20OEPP-Projekte.pdf Quack, Dietlinde; Rüdenauer, Ina; Seifried, Dieter; Lay, Stefanie (2007): Analyse des Geschäftsmodells „Public Private Partnership“ bez. einer nachhaltigen Entwicklung. Anwendung auf Sanierung und Betrieb öffentlicher Bauten, Oktober 2007 17 Rauschenbach, Jens; Giesen, Dirk; Ueberall, Marcus; von Nievenheim, Heike (2007): Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Public Private Partnership Modellen im kommunalen Hoch-und Tiefbau (PPP- Schulstudie), Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Berlin Salewski, Christian (2012): Public-Private-Partnership – Der Kummer der Kämmerer, Financial Times Deutschland vom 17.03.2012 Statistisches Bundesamt (2012): Bildung und Kultur – Allgemeinbildende Schulen; Schuljahr 2011/2012, Fachserie 11 Reihe 1, Wiesbaden United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) – Committee for Trade, Industry and Enterprise Development -Working Party on International Legal and Commercial Practice (2005): Governance in Public Private Partnerships for Infrastructure Development -Draft; TRADE/WP.5/2005/2, 2. November 2005 http://business.un.org/en/documents/556 Weiland, Sonja; Pfnür, Andreas (2009): Empirische Untersuchung der Nutzenwirkungen von PPP Projekten auf den Schulbetrieb am Beispiel der Schulen im Kreis Offenbach. In: Andreas Pfnür (Hrsg.), Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftlichen Forschung und Praxis, Band Nr. 16. 18