Aus der Redaktion

Keine Gefangenen, jedoch rechtlos

Internierungslager mit Soldaten der Wehrmacht befanden sich auch im Landkreis Cuxhaven

 

LANDKREIS elb � Im Mai 1945 - kurz nach der deutschen Kapitulation - sahen sich auch zahlreiche im Landkreis stationierte Wehrmachtsangeh�rige mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert. Einfach entlassen wollten die vier Siegerm�chte die deutschen Soldaten nicht; die Besatzungspolitik wurde bestimmt von den vier „Ds“: Denazifizierung, Demilitarisierung, Demontage und Demokratisierung.

Fast zwei Millionen Soldaten waren jedoch schwer unterzubringen. Die Briten, im hiesigen Raum Besatzungsmacht, entschlossen sich daher zu einer nie zuvor da gewesenen Ma�nahme: In Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurden in aller Eile provisorische Internierungslager eingerichtet, die zumeist ein bis zwei Quadratkilometer gro� waren, au�erhalb der ehemaligen Kampfgebiete lagen und durch Fl�sse sowie Nord- und Ostsee r�umlich begrenzt waren. Innerhalb dieser Lager konnten sich die Soldaten frei bewegen. Sie waren keine Kriegsgefangenen im herk�mmlichen Sinne, denn dann h�tten sie verpflegt werden m�ssen; so aber hatten sie wie intakte Truppen f�r sich selbst zu sorgen. Dieses jedoch erweckte bei den Russen den Eindruck, die Briten wollten eine Art „Bollwerk gegen den Osten“ errichten, was sich als Ger�cht auch hartn�ckig hielt. In Wahrheit aber bestand f�r die Besatzer einfach keine M�glichkeit, f�r die deutschen Soldaten zu sorgen.

Diese „Kapitulationsgefangenen“ (Surrendered Enemy Personnel; SEP), v�lkerrechtlich angesiedelt zwischen Verschleppten und Kriegsgefangenen, hatten keine Rechte und waren nicht beim Internationalen Komitee des Roten Kreuzes registriert. Somit wussten die Angeh�rigen nichts von einer Internierung.

Die Zust�nde in den Lagern waren miserabel - auch unter „eigener“ Verwaltung und ohne Stacheldraht. Unter drakonischen Strafma�nahmen wurde eine strenge milit�rische Disziplin beibehalten. Dennoch pr�gten Hunger, Ungezieferbefall, Verdreckung sowie Pers�nlichkeitsver�nderungen durch Ungewissheit bez�glich des k�nftigen Schicksals - nicht zuletzt auch durch den psychischen Fall ins Nichts - das Bild. Hinzu kam, sp�testens vor der Entlassung, die so genannte „Abwrackung“: s�mtliche Abzeichen (Schulterklappen, Sterne, aber auch Kn�pfe und �rmelabzeichen) sowie pers�nliche Gegenst�nde, z.B. Fotografien oder F�hrerscheine, mussten entfernt oder abgegeben werden. Diese Dinge waren den Soldaten f�r immer verloren.

Heute werden derlei Gegenst�nde - auch verrotteter Lagerm�ll wie Zahnpasta oder K�setuben - noch oft zumeist in Waldgebieten und auf Wiesen gefunden. Sie k�nnen auch im Landkreis Cuxhaven recht eindeutig Aufschluss dar�ber geben, wo sich die Internierungslager befanden.

 

 

Was geschah in den D�rfern?

Passionierter Heimatforscher recherchiert nach Lagern und Depots

 

LANDKREIS elb � Rund 300.000 Soldaten der kapitulierten Wehrmacht verblieben unmittelbar nach Kriegsende in der Region Cuxhaven/Stade. Da die Truppen der britischen Besatzungsmacht H�fe und �ffentliche Geb�ude wie Schulen in den D�rfern bev�lkerten, wurden die deutschen Soldaten - zwar entwaffnet, aber als Truppen intakt - auch im Elbe-Weser-Dreieck in so genannten Internierungslagern zusammen gefasst. Aus anderen gro�en Lagern wie Schleswig-Holstein und Ostfriesland kamen noch ca. 100.000 Mann dazu. F�r die Zelt- und Erdlager mussten Bauern Land abtreten und oft genug mit ansehen, wie ausgehungerte Soldaten ihr Vieh schlachteten.

„Hier muss es zahlreiche Konflikte gegeben haben“, so Dietrich Alsdorf. Der passionierte Heimatforscher aus Stade, der schon einige Dorfchroniken verfasste und jetzt eine Dokumentation plant, ist auf der Suche nach Zeitzeugen aus dem Landkreis. Er ben�tigt genaue Informationen, wo sich diverse Lager befanden - wobei alle Arten von Lagern und Depots f�r ihn von Interesse sind. Teilweise f�hrt seine Recherche zu erstaunlichen Erkenntnissen: „In Nordholz hat sich da, wo heute das Aeronauticum steht, ein Internierungslager befunden.“

Ferner sei zu kl�ren, ob beispielsweise auch Fischhallen als Zwischenlager genutzt wurden, da viele U-Bootfahrer ihre Boote in Bremerhaven selbst versenkt und sich dann in britische Gefangenschaft begeben haben.

„Die Ereignisse zum Kriegsende sind f�r diese Region hinreichend z.B. in Ortschroniken dokumentiert“, so Dietrich Alsdorf abschlie�end. „Was aber geschah unmittelbar danach in den D�rfern?“

 

 

Zeitzeugen gesucht

 

LANDKREIS elb � Gesucht werden Zeitzeugen aus dem Landkreis, die ehemalige Internierungslager benennen k�nnen. Insbesondere die Gebiete um Hemmoor, Bad Bederkesa, der Landstrich n�rdlich von Bremerhaven sowie auch Cuxhaven und umzu sind hierbei von Interesse. Wer etwas wei�, m�ge sich unter (04141) 4 61 11 an Dietrich Alsdorf wenden. Alsdorf setzt dabei z.B. auf damalige Kinder und Jugendliche, die durch die Feldmark streiften und dabei oft in die N�he der Lager gerieten sowie auf Landwirte, die f�r die Lager ihr Land abtreten mussten. Da viele Marinesoldaten in Cuxhaven stationiert waren, ist weiterhin denkbar, dass z.B. auch Cuxhavener Fischhallen zu provisorischen Lagern wurden. Die Informationen werden von Dietrich Alsdorf dringend f�r eine heimatgeschichtliche Dokumentation ben�tigt, die nicht Zahlen und Fakten in den Vordergrund stellt, sondern die Geschichte(n) der Betroffenen.

 

 

 

 

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