Bismarck grüßt
Osten/Oste

Aus der "Chronik des Kirchspiels Osten":


Diederich Hahn

Wer war Dr. Diederich Hahn?

»Deutsches Geschlechterbuch« (Band 180/Seite 44ff. und 237 bis 254): »Christian Diederich Hahn, geboren >am Deich gen Osten-: bei Osten a. d. Oste 12.10.1859, gestorben Hamburg-Barm-bek 24.2.1918, begraben Basbeck/Niederelbe, Dr.phiL, letzter Wohnsitz Haneworth bei Lamstedt (Kreis Land Modeln), vordem zu Berlin und Stade, Politiker, Mitglied des Deutschen Reichstages (1893-1903, 1907-1912), des Preußischen Hauses des Abgeordneten (1893-1918), 1893 Mitbegründer des Bundes der Landwirte (BdL), 1897-1918 Mitglied des engeren Vorstandes des BdL und dessen Direktor, seit 1913 auch Provinzial-Vorsitzender des BdL für die Provinz Hannover,1897-1918 Mitglied des Vorstandes der »Deutschen Tageszeitung< AG in Berlin, Hauptmann der Res. im Kgl. Preuß. 3. Garde-Regiment...«

Diederich Hahn wurde als erstes Kind des Schleusenbaumeisters Adolph Diederich Hahn und seiner Ehefrau Anna, geb. Horstmann, in der Gemeinde Altendorf, am Ostedeich Hs. Nr. 20, geboren. Sein Vater gründete 1857 das Tiefbaugeschäft »A.D.Hahn, Osten«.

In Zusammenarbeit mit der Stammfirma (seit 1664) »J.D.Hahn« in Koppel/Hechthausen baute A.D.Hahn vor 1910 unter anderem im Kirchspiel Osten

1)  das Schöpfwerk für das Gebiet Isensee (am Niederstricherdeich),
2)  die Schleusen in Achthöfen und Osten,
3)  die Pfeiler, Verankerungen und Rampen für die Ostener Schwebefähre.

Die Firma A. D. Hahn bestand bis zum Jahre 1922. Reste der Werkanlagen und des Transporthafens waren noch längere Zeit vorhanden.

Dr. Hahn war seit seiner Leipziger Studentenzeit dem Fürsten Bismarck persönlich verbunden. 1880 entdeckte der stud.phil. Diederich Hahn eine alte Kopie des Deichrechts der Alten-dorfer Schauung im Kirchspiel Osten, bald darauf in verschollenen Archivalien des Deichgrafen die Originaltexte. Er promovierte 1884 mit der Übersetzung des Textes aus dem Mittelhochdeutschen, einer genauen Landschaftsbeschreibung und einem juristischen Kommentar. Dadurch kamen persönliche Kontakte zu Fürst Bismarck zustande, der einstmals Deichgraf von Schönhausen gewesen war. Wiederholt war Dr. Hahn zu politischen Gesprächen nach Friedrichsruh eingeladen.

Nach der Entlassung Bismarcks (1890) führte Hahn den Wahlkampf für den »Erzpreußen« in dem eigentlich »erzwelfischen« 19. Hannoverschen Reichstagswahlkreis durch. Nach Bismarcks Mandatsverzicht wurde Hahn in einer Nachwahl - auf Bismarcks Anregung - dann als jüngster Abgeordneter in den Reichstag gewählt.

In der Börde Lamstedt erweiterte Dr. Hahn seinen Landbesitz Haneworth von 400 Morgen (1915) in der Zeit der Kriegshungersnot durch Ödland-Kultivierung. Inmitten all dieser Aufgaben starb er, erst 58 Jahre alt, am 24.2.1918 im Kriegslazarett Hamburg-Barmbek. Seine Heimat - hier an der Oste -, Land und Leute, die Lebensverhältnisse der Menschen im Elbe-Weser-Mündungsdreieck haben das politische Denken und Handeln von Diederich Hahn entscheidend geprägt. Unter seinen Biographen sind Dr. Gunda Sossinka und der Historiker Prof. Puhle bemerkenswert. Erwähnt sei auch, daß Dr. Hahn 1881 eine Sammlung der Volkslieder in den niederdeutschen Landschaften anlegte und 1888 »Das Alluvium der Oste« herausgab.

Ein Jahr nach der Entlassung des Kanzlers Otto von Bismarck durch Kaiser Wilhelm II. (l890) traf der Abgeordnete des 19. hannoverschen Wahlkreises, Dr. Diederich Hahn, mit dem von ihm sehr verehrten Ex-Kanzler zusammen. Aus dem Buch »Gespräche mit Bismarck« von Heinrich von Poschinger wird nachstehend der Wortlaut der Notiz zu einer Begegnung mit Dr. Hahn hier in die Chronik eingefügt.

14.11.1891: Bismarck war auf der Rückreise nach Friedrichsruh. 

I. Auf dem Lehrter Bahnhof Berlin

Im Namen von Angehörigen des 19. hannoverschen Wahlkreises überreichte Dr. Diederich Hahn Bismarck eine Karte, auf welcher plattdeutsche Verse geschrieben waren:

Fürst von Bismarck, lange Johren
Sall de Herrgott Di bewehren!
Di erholen jung an Moth,
Denn hett Dütschland kene Not!
Vor dat neie dütsche Riek
Wörst und bliwst Du Damm und Diek!

Dr. Hahn las die Verse laut vor. B. dankte dem Überbringer dieser Karte, bat ihn, seinen Dank und seine Empfehlung an die Landsleute zu bestellen, und äußerte, daß ihn vornehmlich die letzten Verse sympathisch berührt hätten, da er ja ehemals Deichhauptmann gewesen wäre.

II. Zu Wittenberge

Im Coupe zwischen Berlin und Wittenberge kam Dr. Hahn auf die Idee, zwei Grüße aufzuschreiben für seine Landsleute und in Wittenberge die Unterschrift Bismarcks zu erbitten.

Auf den einen Zettel schrieb er: >Einen Gruß an den Kriegerverein Osten a. d. Oste (dessen Ehrenmitglied der Fürst war) Wittenberge, den 14.11.1891.<

Und auf den anderen Zettel: >Einen Gruß an meine lieben Wähler des 19. hannoverschen Wahlkreises! Wittenberge, den 14.11.189l.«

Mit diesen beiden Zetteln ging Hahn in Wittenberge an das Coupe Bismarcks und bat ihn, ihm die Zettel doch gütigst zu unterschreiben. Seine Landsleute müßten etwas Sichtbares von ihm haben. Er würde sich die Zettel in Friedrichsruh wieder abholen. B. meinte erst, während der Fahrt würde schreiben wohl nicht möglich sein, es würde sich nachher aber wohl noch Tinte und Feder finden. Dann fragte er Hahn: >Wo sind Sie denn im 19. hannoverschen Wahlkreis zu Hause?< Hahn nannte ihm Osten und erzählte, daß dort eine politisch sehr rege Bevölkerung wohne, die sich in hannoverschen Zeiten unter dem König Ernst-August politisch hervorgetan habe.

>Dort seien im hannoverschen Verfassungsstreit besonders die Steuerverweigerer zu Hause gewesen. Man habe nachher sich lebhaft an Preußen angeschlossen und sei jetzt Bismarck freundlich gesinnt und ergeben. Am 2. Ostertage habe der Fürst die erste Depesche mit aus der Wahlbewegung aus Osten bekommen.«

Bismarck: >Wenn man so viele Feinde hat wie ich, freut man sich doppelt, von einem Orte zu hören, in welchem man so treue Anhänger besitzt, wie bei Ihnen zu Hause.< Hahn: >Hätten Eure Durchlaucht wohl die Gnade, eine Deputation des Kriegervereins Osten a. d. Oste zu empfangen, die Ihnen das Diplom Ihrer Ehrenmitgliedschaft überbringen will?« Bismarck: >Mit Vergnügen, die Herren mögen nur zu mir kommen. Ich hätte selber Ihre Landsleute im 19. hannoverschen Wahlkreise schon gerne besucht, aber es geht nicht gut, ich muß zu viel Rücksicht auf meine Gesundheit nehmen. Jetzt ist das Wetter ja auch zu schlecht.«

Hahn: >Wir haben auch schon auf einen Besuch gehofft und bereits überlegt, welches Lokal bei uns wohl groß genug wäre, um alle Anhänger Eurer Durchlaucht zu fassen. Vielleicht haben wir im nächsten Sommer die Freude, Eure Durchlaucht zu begrüßen.< Bismarck: >Ich will sehen, ob ich es dann möglich machen kann. Sagen Sie nur Ihren Landsleuten, ich könnte vorläufig nicht gut nach Berlin in den Reichstag kommen. Zunächst liegt auch noch keine dringende Veranlassung vor. Außerdem habe ich keine Wohnung in Berlin. - Wie ist die Ernte bei Ihnen ausgefallen?<

Es entspinnt sich jetzt eine Unterhaltung über die verschiedenen Böden in Varzin bzw. in Hadeln. In Friedrichsruh gab B. dann Hahn die beiden in Wittenberge überreichten Zettel mit seiner Unterschrift zurück und bejahte zum Abschied vergnügt die Frage, ob er auch dem Abgeordneten Schoof Grüße mitbringen dürfe.«


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