Osteland - Land der
Erneuerbaren Energien

Rede von Jochen Bölsche
(AG Osteland) bei der
5. Atom-Mahnwache in
Cadenberge, 11. 4. 2011
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Die Arbeitsgemeinschaft Osteland e. V., als deren Vorsitzender ich zu Ihnen spreche - Seite an Seite mit meinem Stellvertreter Walter Rademacher -, will die Menschen im Einzugsbereich der Oste vertreten, im Kern des Elbe-Weser-Dreiecks. All diese Menschen verbindet objektiv eines: ein vitales, ein existenzielles Interesse am schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie.

Denn nirgendwo in ganz Deutschland gibt es vergleichbar großes Gebiet mit einem größeren Risiko eines Atomunfalls wie an der Oste. Das belegt eindrucksvoll der "AKW-Gefährdungsatlas für Deutschland", den die Deutsche Umweltstiftung kurz vor der Katastrophe in Japan in Neuauflage herausgegeben hat.

Wer diese Karte kennt, der weiss: Niemand ist stärker legitimiert, zum Thema Atomausstieg Stellung zu nehmen, als ein Verein wie die AG Osteland, der - überparteilich, kreisübergreifend - die gesamte Osteregion vertritt, die so groß ist wie Hamburg und Berlin zusammen. 

Und niemand erhofft sich mehr als wir, 

- dass dieser Risikoatlas binnen kürzester Zeit nur noch historische Bedeutung hat, 

- dass die Schrott- und Altreaktoren, die uns geradezu umzingeln, abgeschaltet bleiben bzw. auf Dauer abgeschaltet werden, 

- dass zumeist längst abgeschriebene, aber hochprofitable Anlagen, die weder gegen Erdbeben noch gegen Flugzeugangriffe hinreichend gesichert sind, nicht länger als Gelddruckmaschinen dienen, mit denen die vier großen Stromkonzerne pro Meiler und pro Tag rund eine Million Euro kassieren - unter Inkaufnahme des sogenannten Restrisikos für die Bevölkerung.

Doch machen wir uns nichts vor: Kampflos und ohne Gegenleistung werden die vier Atomstromkonzerne ihre Position nicht preisgeben. Der am Wochenende publik gewordene Stopp ihrer Zahlungen zur Förderung erneuerbarer Energien ist nur eine erste Kampfansage an die Regierung Merkel/Rösler (und natürlich an die gesamte Bevölkerung). 

In der Politik wiederum gibt es manch einen - Herr Brüderle hat sich da ja verplappert - , der im Moratorium der Kanzlerin nur ein Mittel sieht, Zeit zu gewinnen, bis sich die Aufregung gelegt hat, um dann ähnlich weitermachen zu können wie gehabt. Und tatsächlich wagen sich bereits, kurz nach der wahltaktisch motivierten Wende, in Berlin wieder Politiker hervor wie Volker Kauder, die vor "übereiltem" Abschalten warnen.

Und doch: Richtig ist auch, dass die Chancen für eine Energiewende nie größer waren als zur Zeit. Nie zuvor haben die Forderungen der Anti-AKW-Bewegung so viel Widerhall in der Bevölkerung gefunden, die ja nicht ohne Grund erstmals eine grün-rote Landesmehrheit (mit der Betonung auf "grün") ermöglicht hat. 

Und nie zuvor war zugleich die Energiewirtschaft so uneins wie am Wochenende, als es im BDEW, im Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft, geradezu zu einer "Revolte gegen die Atomkonzerne" kam, wie heute die "Süddeutsche Zeitung" titelt: Erstmals haben die Vertreter von Stadtwerken, Wasserkraft und Gaslieferanten die Abgesandten der Atomstromkonzerne überstimmt. Und nun fordert auch dieser Spitzenverband - wörtlich - einen "schnellen und vollständigen Ausstieg aus der Kernenergienutzung".

Mehr und mehr Mitstreiter finden sich in der Wissenschaft. Kein Geringerer als der Chef des Beirats der Bundesregierung für globale Umweltfragen, Prof. Hans-Joachim Schellnhuber, fordert die Abkehr vom "fossilnuklearen" Kurs mit der Begründung, diese Wende sei "moralisch ebenso geboten" wie "die Abschaffung der Sklaverei und die Ächtung der Kinderarbeit". 

Erfreulicherweise ist die grüne Technik dafür vorhanden. Die Ökostrombranche hat am Wochenende bekräftigt, Atomenergie könne bis 2020 ganz durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Der Umweltpublizist Franz Alt weist heute in seinem Blog darauf hin, dass Bayern bereits jetzt Solarweltmeister ist; dort wurden voriges Jahr mehr Solaranlagen installiert als in Japan und den USA zusammen. 

Inzwischen gibt es sechs bayrische Landkreise, meist CSU-regiert, die dem Osteland als Vorbild dienen könnten: Sie wollen bis 2025 "zu 100 Prozent erneuerbar" werden.

Richtig ist, wie Franz Alt einräumt, "dass wir noch Netze, Speicher und Leitungen brauchen". Deren Bau jedoch könnte "ein ökologisches Wirtschaftswunder mit Millionen neuen, zukunftsfähigen Arbeitsplätzen" bewirken.

Richtig ist zugleich, dass dabei nicht wieder auf störungsanfällige Großtechnologien gesetzt werden sollte, auch nicht nur auf gigantische Stromautobahnen. Klug wäre, was AG-Osteland-Mitstreiter und BUND-Kreisvorsitzender Georg Ramm empfiehlt: eine "Wende hin zur Nachhaltigkeit durch Regionalität" - durch viele lokale Initiativen nach dem Muster etwa von "SolarLokal Oldendorf", das von dem pensionierten Lehrer Peter Wortmann vom AK Energie der dortigen Dorfentwicklung mit voangetrieben wird.

Peter Wortmann - auch er ist einer der Osteland-Aktiven - weist auf das zur Zeit wohl wichtigste strategische Ziel hin: Rund 80 Prozent der Deutschen wollen mittlerweile aus der Atomenergie aussteigen, weit über 80 Prozent der Deutschen beziehen zugleich ihren Strom weiterhin von den vier Atomstrom-Konzernen. 

Diese Kluft gilt so bald wie möglich und so weit wie möglich zu schließen - durch Millionen kleiner, individueller Schritte, die zusammengenommen eine enorme Wirkung entfalten, der sich die Politik nicht mehr entziehen wird - so dass sich auch neue Chancen für eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen bieten.

Politikwissenschaftler kennen den Begriff des "window of opportunity", wenn sie ein sich kurz öffnendes Zeitfenster bezeichnen, das eine einmalige Gelegenheit bietet. Vieles spricht dafür, dass sich in Deutschland gerade ein solches "window of opportunity" geöffnet hat. Nutzen wir es, um auch das Osteland umzugestalten in ein Land der erneuerbaren Energien - wobei Windkraft eher offshore als neben Kulturdenkmälern produziert werden sollte und Bioenergie eher aus Gülle als aus Lebensmitteln, versteht sich. 

Alles in allem: Wir haben Grund zur Zuversicht - und die anderen wissen das. Dafür gibt es in Bayern ein schönes Beispiel: Noch im vorigen Herbst sprach der CSU-Energieexperte Georg Nüßlein von einer weltweiten "Renaissance der Kernenergie", und er forderte, Deutschland müsse sich die globale nukleare Technologieführerschaft sichern. 

Letzten Monat, nach Fukushima, hat auch er eingesehen: "Wenn dein Pferd tot ist, steig ab."

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