Jahresbericht 2012/13
Werner Burkard, Naturschutzbeauftragter, Landkreis Rotenburg/Wümme
Vorbemerkung in eigener Sache:
Obwohl ich Jahresberichte seit vielen Jahren vorlege, die von der Presse
auch immer wieder aufgenommen wurden, hat der letzte Bericht ein unerwartet
breites, meist zustimmendes Echo gefunden. Es ist insbesondere die Einschätzung
der m. E. unheilvollen Entwicklungstendenzen in der Landwirtschaft,
die offenbar von vielen Menschen, auch aus der Landwirtschaft heraus, geteilt
wird.
Die Berichte haben immer nur einen
kleinen Ausschnitt der Probleme behandelt, mit denen der Naturschutz in
unserem Landkreis konfrontiert wird. Zahlreiche Vorgänge ziehen sich
über Jahre und sogar Jahrzehnte hin, ohne je „erledigt“ zu sein wie
mancher normale Verwaltungsvorgang.
Es sind nur wenige Vorgänge und Probleme, die ich nachfolgend anspreche. Zurückgestellt sind wichtige Themen wie Deponieplanung Haaßel, Wiesenvogelschutz, Tourismus und Landschaftsentwicklung, Überschwemmungsgebiete, Neophyten / Neozoen, Gartenabfälle in der Landschaft, Saatkrähenproblematik, Besucherlenkung in Schutzgebieten, Torf- und sonstiger Bodenabbau, Kleingewässerschutz und –entwicklung, Zusammenarbeit mit den Naturschutzverbänden u. a. Die Anzahl der Termine hat seit dem vergangenen Jahr noch einmal zugenommen. Neben den regelmäßigen Sitzungen und Besprechungen sind auch aktuelle Vorgänge vermehrt ins Gewicht gefallen. So ist der Abstimmungsbedarf bei vielen Einzelprojekten, u. a. bei der zweckgebundenen Verwendung der Jagdsteuermittel, unvermeidlich und dient der fachlichen Vertretbarkeit. Probleme mit der Wasserqualität Die Gewässerverschmutzungen im Frühjahr 2012, insbesondere von Lünzener Bruchbach und Bade, haben nicht nur die Fachämter für Wasser und Naturschutz, sondern auch den ehrenamtlichen Naturschutz intensiv beschäftigt. Dabei muss die fundierte Kenntnis der Fischfauna, die von den örtlichen Vereinsvertretern eingebracht werden konnte, besonders herausgestellt werden. Ohne sie wäre im Fall Lünzener Bruchbach die Einstufung als Biodiversitätsschaden nach EU-Recht mit den nachfolgenden Sanierungsschritten kaum möglich gewesen. Den wiederholten Presseberichten über die Verbesserung der Wassergüte, der Wümme und besonders der Oste, ist im Kern zuzustimmen. Unübersehbar sind jedoch auch die zeitweiligen und/oder andauernden Belastungen etlicher Nebengewässer mit Einträgen aus der Ackernutzung gewässernaher Standorte und aus Lagern für Gärsubstrate. Der Rückgang bestimmter Fische, die eher Stillgewässer oder Altarme von Fließgewässern besiedeln, ist keinesfalls ein Zeichen dafür, dass die Oste „zu sauber“ ist, sondern eher dafür, dass es an der Strukturvielfalt, die ein naturnahes Gewässersystem kennzeichnet, immer noch mangelt. Die Gebietskooperation Oste hat sich dieser Frage bereits angenommen. Daneben zeigt die vom Amt für Wasserwirtschaft vorgelegte Übersicht, dass die hohe Zahl von Anlagen, die potenziell wassergefährdend sind, eine regelmäßige Überprüfung kaum erlaubt. Unter diesen Umständen ist es mir unverständlich, wie z. B. an der Walle und an der Aue neue Anlagen mit hohem Belastungsrisiko in unmittelbarer Gewässernähe in Betrieb gehen konnten. Kritik an Moorwiedervernässung Im Zusammenhang mit der jüngsten
Diskussion um die Zukunft des Torfabbaues ist mehrfach Kritik an den in
unserem Landkreis praktizierten Maßnahmen zur Entwicklung der Hochmoore
geübt worden. Diese meist pauschale Bewertung verkennt, dass hierbei
sowohl das Datum der Abbaugenehmigung als auch das Entwicklungspotenzial
sowie die Abwägung zwischen konkurrierenden Schutzzielen bedacht werden
müssen.
Es gibt in unserem Landkreis eine Reihe von Beispielen dafür, dass Entwicklungsmaßnahmen in Hochmooren weit über eine bloße Vernässung hinausgehen und Vegetationskomplexe im Entstehen begriffen sind, die einem wachsenden Hochmoor nahe kommen. Die Verfügbarkeit geeigneter größerer Hochmoorflächen ist allerdings Voraussetzung für eine Entwicklung, in der u. a. Ziele des Natur- und Klimaschutzes effektiv angesteuert werden können. Windkraft Unser Landkreis ist bisher gut damit gefahren, sich bei der Ausweisung von Vorrangstandorten an einen Kriterienkatalog zu halten, der von einer breiten Mehrheit getragen wird. Die Überarbeitung des Regionalen Raumordnungsprogramms im Zeichen der „Energiewende“ sollte sich nicht unter Zeitdruck vollziehen oder sich gar den teilweise sehr unverblümt vorgetragenen Forderungen von Institutionen und Personen mit durchaus verständlichen Gewinnerwartungen unterwerfen. Die heutige Situation der Stromerzeugung legt keinesfalls einen beschleunigten Ausbau der Windkraft nahe, bevor nicht wichtige Vorbedingungen erfüllt sind. Dazu gehören u. a. die gleichzeitig
zu planende und zu realisierende Weiterleitung und Abnahme des erzeugten
Stroms, damit sich die Situation vor der niedersächsischen Küste
nicht bei uns im Binnenland wiederholt. Ferner sind wichtige Fragen zum
Schutz gefährdeter Tiergruppen zu klären. An ihrer Erforschung
und Problementschärfung wird teilweise erst seit kurzem gearbeitet.
Nicht zuletzt hat das Wohl der benachbart wohnenden Menschen ein besonderes
Gewicht, auch hier sind wichtige Kriterien und Entscheidungshilfen zur
Minderung von Belästigungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen
erst in der Entwicklung.
Unverzichtbar und dringend ist hingegen die unbedingte Bereitschaft aller, sich dem Problem der Energieverschwendung zu stellen. Dieser schmerzhafte Prozess, letztlich die Klärung der Frage nach der langfristigen Tragfähigkeit unseres Lebensstils, greift weit über unser Kreisgebiet hinaus und findet nach wie vor nicht statt. Monitoring: Vögel der Normallandschaft Seit zehn Jahren werden auch in unserem Landkreis auf Probeflächen, die vom Bundesamt für Statistik ausgewählt wurden, nach einem festgelegten Verfahren die Brutvögel ermittelt. Die bundesweit 2600 Probeflächen erlauben eine abgesicherte Bewertung der Bestandstrends der Vogelwelt in der „Normallandschaft“. Diese betreffen die häufigen Arten. Für andere Gruppen, wie z. B. wandernde oder extrem seltene Arten, gibt es spezielle Beobachtungsprogramme, die ebenfalls zum größten Teil von ehrenamtlichen Beobachtern getragen werden. Über die verschiedenen Programme wird immer wieder in den Medien berichtet. Als vorläufiges Ergebnis kann zumindest für einige „Allerweltsarten“ der in unserer Region dominierenden Agrarlandschaft ein stark abnehmender Trend festgestellt werden. Die Gesamtsituation erscheint für Außenstehende allerdings gelegentlich widersprüchlich und schwer zu durchschauen. Naturschutz in Niedersachsen In der Vergangenheit habe ich mehrfach
deutliche Kritik an der naturschutzpolitischen Linie der Landesregierung
geübt. Auf manchem Gebiet hat es nicht nur Stillstand, sondern
erhebliche Rückschläge gegeben. Dazu gehört die Schwächung
des ehrenamtlichen Naturschutzes durch die Neuregelung der Verbandsbeteiligung
oder die personelle Auszehrung der Fachbehörde. Sie hat u.
a. dazu geführt, dass unser Bundesland, welches mit seinem Artenerfassungsprogramm
seit Ende der siebziger Jahre bundesweit eine Spitzenstellung, nicht zuletzt
durch die Mobilisierung vieler externer, ehrenamtlicher Tier- und Pflanzenkenner,
eingenommen hatte, heute zu den Schlusslichtern zählt.
Der regelmäßige Austausch mit dem Amt 68 erlaubt auch einen Einblick in das behördliche Tagesgeschäft. Nach meinem Eindruck ist die Naturschutzarbeit in den vergangenen Jahren zunehmend konfliktträchtig und belastend geworden. Ursachen dafür sind neben wenigen Einzelfällen wie Havarien, die auch öffentlich diskutiert werden, insbesondere die nicht abreißende Kette von Anträgen verschiedenster Art (z. B. Grünlandumbruch) sowie Verstöße und Ordnungswidrigkeiten. Ihre Abarbeitung mündet immer öfter in juristischer Auseinandersetzung, die belastend und zeitaufwändig ist. Diese Situation engt den originären Naturschutz zunehmend ein, so dass bei der gegebenen personellen Lage wichtige Arbeiten sich immer wieder verzögern. Ausweisung von Naturschutzgebieten Die gründliche und sehr offene Vorbereitung von NSG-Ausweisungen in unserem Landkreis ist in Niedersachsen in dieser Form durchaus nicht selbstverständlich. Viele individuelle Betroffenheiten konnten schon im Vorfeld befriedet werden. Gleichwohl haben massive Proteste
mit teilweise fragwürdigen Methoden und Trotzreaktionen, wie z. B.
im Falle des FFH-Gebiets 039 Wieste-Glindbusch-Borchelsmoor, zu m. E. unnötigen
Reibungsverlusten geführt. Ich halte es für wenig verantwortungsvoll,
wenn nun selbst aus der Bundespolitik heraus Stimmung gegen die laufende
Ausweisung des NSG Veerse gefördert wird, anstatt Wege zu suchen,
möglichen Vorbehalten konstruktiv zu begegnen, etwa über neue
Ansätze in der Agrarförderung.
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