Vor dem Eingang
ein Leichenwagen

Impressionen von der
Criminale 2010 in der Nordeifel

Von Dr. Reinhold Friedl

Das Syndikat kam... und manche fragten sich, was diese höchst kriminelle Truppe in der idyllischen Nordeifel zu suchen hat. Denn die Besucher hatten Gefährliches im Gepäck. Verbrechen jeglicher Couleur wurden präsentiert � von Bankraub über Entführungen zu Mord und Totschlag -, und machten schlagartig die herrliche Nordeifel zur Mord-Eifel.

Serienkiller, Mörder, Terroristen und Giftmischerinnen hielten Einzug in die Nordeifel und feierten einen fulminanten Eröffnungsabend im historischen Pingsdorfer Tanzsaal im Freilichtmuseum Kommern. Vor dem Eingang stand ein Leichenwagen. Als die Sprecherin des Syndikats, Angela Esser, ihre Eröffnungsrede hielt, öffnete sich die große Saaltür und ein Beerdigungszug zog unter Trauermarschmusik und mit Blasinstrumenten vorweg in den Saal ein, wie bei der Mafia-Beerdigung zu Beginn des Films �Der Pate�. Der Anführer des Trauerzuges in Schwarz (der Bremer Krimiautor Jürgen Albers) griff sich auf der Bühne das Mikrophon und setzte zu einer Rede der anderen Art an: �Liebe Trauergemeinde...� Es begann ein Disput, wem nun der Saal zustehe. Zwischenzeitlich wurden im Saal schwarzumrandete Trauerkärtchen mit der Lebensgeschichte des Toten verteilt. Es handelte sich um Jupp Zupp.

Alle mochten ihn, auch wenn er durch Wirthausschlägereien in der Eifel ein Auge, ein Ohr und einen Arm verloren hatte. Neben vielen Kindern hinterließ Jupp Zupp insbesondere einen großen Deckel in "Schneiders Eck" in Urft/Eifel. Seine Organspende lehnte das Kreiskrankenhaus Mechernich dankend ab. Der Landrat des Kreises Euskirchen, Günter Rosenke, vermisste Jupp Zupp ebenfalls, da er sein Chauffeur gewesen war, aber häufig nicht die richtigen Ziele erreichte. Dazu, so der Landrat milde, mag beigetragen haben, dass der einarmige Chauffeur während der Fahrten immer stark rauchte. Blumen und Kranzspenden waren am Grab unerwünscht, die Hinterbliebenen würden sich vielmehr über einen netten Geschenkkorb oder Wellnessgutscheine freuen. Den über 150 Krimiautoren und zahlreichen Gästen wurde zur Stärkung ein rustikaler Leichenschmaus serviert - einschließlich Getränken, die sicher auch im Sinne des lieben Verblichenen gewesen wären. Der Abend endete, wie die nächsten vier auch, neben der Einsatzzentrale an der Criminale-Bar im Kurhaus Schleiden-Gemünd.

Von uniformierten Polizisten wurde ein weißhaariger älterer Herr in Handschellen vorgeführt, da er zahlreiche Morde und Verbrechen in der Eifel begangen habe. Auf der Bühne wurde er von TV-Richterin Barbara Salesch verhört. Der Angeklagte gab seinen Namen mit Michael Preute an, aber schnell wurde klar, dass er seine Verbrechen unter dem Decknamen Jacques Berndorf verübt und sich auch als Nestor der Eifel-Krimiautoren tarnt. Strafmildernd wertete Richterin Salesch Berndorfs Aussage, dass Frauen bei ihm nie lange zu leiden hätten.

In den nächsten Tagen teilten sich die Krimiautoren zu verschiedenen Orten und Einsätzen auf. Mein Weg führte mich schon einen Tag vor der Lesung am gleichen Ort in das Schießkino der Kreispolizeibehörde Euskirchen, wo scharf geschossen werden durfte. Die bescheidene Anmerkung sei erlaubt: Fünf Schuss, fünf Treffer, alle Fussbälle verschwanden von der Filmleinwand, obwohl ich vorher noch nicht mit der P 99 geschossen hatte. Es folgten Erläuterungen zu Waffen von Straftätern und anschließend Erbsensuppe.

Am nächsten Morgen bat der NRW-Verfassungsschutz zu einem Seminar über Neonazismus sowie deren provokative und verdeckte Symbole auf die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang im Nationalpark Eifel, wo der Parteinachwuchs als Elite geschult werden sollte. Der eloquente Referent von der Abteilung Verfassungsschutz aus dem NRW-Innenministerium, promovierter Politikwissenschaftler und ehemaliger Journalist, bat mich zu Demonstrationszwecken nach vorne. Da stand ich nun mit ausgebreiteter Reichskriegsflagge und neben mir der Verfassungsschützer mit Hakenkreuzfahne. Mein Kommentar zu ihm: �Wenn das jemand jetzt fotografiert und verbreitet (z. B. auf www.oste.de) kann das einigen Ärger geben.� Antwort Verfassungschützer: �Zu pädagogischen Zwecken ist das erlaubt.�

Abends Lesung aus �Die große Hochzeit� im Schießkino der Polizei Euskirchen mit anderen Autoren. Es war mit knapp hundert Zuhörern bis auf den allerletzten Platz besetzt, wie nahezu alle anderen Lesungen auf der Criminale ebenfalls. Schöne Krimi Lesungs-Location mit Schießleinwand im Rücken und flackerndem Blaulicht neben dem Tisch des Autors.

Auf der Vollversammlung des Syndikats sorgte der Autor Wilfried Eggers aus dem Krimiland Kehdingen-Oste dafür, dass die Kohle des Syndikats nicht von feindlichen Staatsmächten abgegriffen werden kann. Als Chefjustitiar des Syndikats legte er die rechtliche Meisterleistung hin, dass diese hochkriminelle Truppe vom Finanzamt auch noch als gemeinnützig anerkannt wird. Dafür gebührt ihm nach meiner Meinung ein Ehrenglauser, nicht zuletzt als Halteprämie, damit er nicht von ähnlich kriminellen Vereinigungen gegen hohes Schweigegeld abgeworben wird.

Am Ende der Versammlung wurden die Autorenhonorare für die Lesungen an der �Lösegeldausgabe� ausgezahlt. Mit der Kohle auf der Kralle bewegte mich der ehemalige Saarbrücker Tatort-Kommissar (Max Palu) und Krimiautor Jochen Senf, den unheimlichen Ort zu verlassen, und ich fuhr ihn mit der schwarzen Gangsterlimousine zu weiteren Taten.

Beim Tango Criminale saß ich beim Essen neben einer Autorin, die mir mitteilte, dass sie nur mit Gift mordet. Ich bat sie um Nachsicht, dass ich meinen Teller und mein Glas etwas abrücke. Sie antwortete, dass sie heute nichts dabei habe, was ich damit kommentierte: �Das hätte ich auch gesagt.�

Vor der Verleihung der höchsten deutschsprachigen Krimipreise in verschiedenen Kategoreien, dem Friedrich-Glauser-Preis, betrat ein Autor die Bühne, um schon mal seine Dankesrede zu üben, da er auf alle Fälle den Preis erhalten werde, alles andere wäre ungerecht. Er sei nun mal der Beste und stellte sich mit seinem Künstlernamen Don Leon vor, der hauptsächlich für seine tote Mutter schreibt. Außerdem gebe es heute keine normalen Kommissare mehr, sie hätten alle zumindest Familien- oder soziale Probleme, was er genial umgesetzt habe. Sein Kommissar sei nämlich blind, dazu auch noch taub und sitzte im Rollstuhl. Er habe aber unheimlich hohe Ermittlungserfolge, insbesondere im Pflegeheim und bei japanischen Geishas, deren Leichen er abtaste. Als Don Leon wider Erwarten den Krimipreis Glauser nicht gewann, stand er an der Balustrade oben im Kurhaussaal und schrie immer: �Ich springe, ich springe...�, was zum Glück durch den Hausmeister verhindert werden konnte.

Die Criminale war von der SoKo Criminale und dem Landkreis Euskirchen hervorragend vorbereitet und organisiert worden. Mir persönlich hatte die SoKo als Patin Gisa Klönne zugeteilt, die im letzten Jahr den Glauser für den besten Kriminalroman erhalten hat, was ich als sehr gute, sympathische und charmante Entscheidung wahrnahm. Der Landkreis hatte über ein dreiviertel Jahr vier Mitarbeiter zur Vorbereitung der Criminale abgestellt, in der Endphase sogar sechs.

Auch der Eifel-Tourismus war sehr engagiert, ebenso wie die Sponsoren und Medienpartner. Die Criminale wurde als beste Werbung für den Landkreis und den Nordeifel-Tourismus angesehen. Die Vertreter der nächsten Criminale-Region am Niederrhein waren ebenfalls schon gut sichtbar und mit diversen Informationsmaterialien vertreten.
.

Innereien der 
verstorbenen Nachbarin

Natürlich machte auch die Hotellerie und Gastronomie in der Nordeifel engagiert bei der Criminale mit. Hotels waren weitläufig ausgebucht, und an vielen Orten wurden Lesungen und Krimi-Dinner offeriert. So bot das renommierte Parkhotel Euskirchen zum Thema "Henkersmahl" Lesungen von vier Autoren zu folgendem Criminale-Menü an:

Blutrotes Tomaten-Pannacotta 
mit durchwühlten Herbstsalaten

***

Schäumendes Süppchen von Trüffel 
und Kartoffeln mit ertränktem Scampi

***

Rücken vom gemeuchelten Rind auf 
Karotten-Estragon-Püreee mit Zucchinigemüse

***

Törtchen von düsterer Schokolade mit Nougatgelee 
an leichenblasser Mousse und Aprikosen-Minz-Kompott 
inklusive (mörderischen) Aperitif, begleitender Weinreise, 
Mineralwasser und Kaffee

Und noch ein Criminale-Menü: In der "Blutnacht" im Printenhaus, Bad Münstereifel, gab es

Frisch geröstete Innereien 
der verstorbenen Nachbarin 
(Edelfischterrine an Salat oder 
Tafelspitz mit grüner Sauce an Salat)

***

Püriertes Süppchen 
aus der Gallenblase 
(Rote und grüne Paprikasuppe 
mit Hummerkrabbenspieß)

***

Die Leber vom Chef 
"kross" gebraten 
(Kalbsleber saltimbocca mit Salbei, 
Parmaschinken und Kartoffelschaum)

***

Die Diabetes ist kein Zuckerschlecken, 
aber unser verstorbener Nachbar hatte sie!
Karamelisierte Bauchspeicheldrüse
(Joghurtterinne mit karamelisiertem Obst)



www.krimiland.de




Impressum und Datenschutz