Erinnerungen an 
die Schwebefähre

Von HEIKO VAN DIEKEN

Gute alte Schwebefähre: Noch immer überragt sie die Deiche des Dorfes, auch den stattlichen Kirchturm, dessen Uhr melodisch und leise die Stunden anzeigt und von dem die Glocken sonntags über die engen verträumten Gassen zu den flachen Marschwiesen hinüberklingen, die von einer lebhaften Autostraße durchschnitten werden. Im Sommer fahren hier Touristen erwartungsvoll der Elbe entgegen, sehen sich vielleicht schon auf einer der großen Fähren voller Vorfreude von Nordseemöwen umschwärmt halbwegs an ihrem Ziel, einer friesischen Insel.

Gönnen sie im Vorbeifahren dem ungewöhnlichen Eisengestänge einen Blick? Was mögen sie von diesem imposanten Gebilde denken? Manchmal nimmt einer den Fuß vom Gaspedal, biegt ein in die Dorfstraße, verweilt vor dem hübschen Fährkrug am Deich der Oste und betrachtet staunend die ungewöhnliche Konstruktion der Schwebefähre.
Wie ein museales Überbleibsel einer vergangenen Zeit mag sie erscheinen. Aber so viel Zeit ist gar nicht vergangen, seit sie wie ein technisches Wunderwerk bestaunt wurde und täglich die Menschen von einem Ufer der Oste zum anderen brachte, Dorfbewohner, die vor einer Bahnreise in die weite Welt erst einmal den Bahnhof Basbeck-Osten erreichen mußten - vielleicht mit schwankenden Kutschen auf einer Klinkerstraße, die vom Ostedeich durch tief gelegenes Gelände zur höheren Geest hinüberführte und den Namen Fahrstück bekommen hatte. Aber auch Einwohner von Basbeck und Warstade, die in den Laden von Osten oder in seinen vielen Gastwirtschaften etwas zu erledigen hatten, schwebten über den Fluß hinweg, und jahrzehntelang reichte es, den langsam wachsenden Verkehr so zu bewältigen.

Wenn allerdings anfangs behauptet wurde, das schwebende Fahrzeug sei unabhängig von Wind und Wetter, so erwies sich dies bei höheren Fluten nun doch als zu optimistisch. Das war für die Ostener Schüler, die das Warstader Gymnasium besuchten, hoch willkommen. Denn in solchen Fallen kam frühzeitig ein Anruf bei der Sekretärin an, und freudig strebten die Gymnasiasten heimwarts, um rechtzeitig das rettende Ufer zu erreichen, begleitet von neidischen Blicken ihrer Mitschüler, die bis nach der sechsten Stunde warten mußten.

Für die Einwohner von Osten waren solche Unterbrechungen keineswegs erfreulich. Die Autofahrer mußten dann einen weiten Umweg machen über Himmelpforten und die Brücke bei Hechthausen.

Damals wohnten Verwandte von uns in Großenwörden. Gern radelten wir abends noch mal von der Fähre kommend durch das malerische Osten und weiter am gewundenen Deich entlang. Wenn wir nach Hemmoor zurückfuhren, hörten wir schon von fern das Surren der Fähre in nächtliche Stille. Werden wir sie an diesem oder am jenseitigen Ufer antreffen? Unvergeßlich die Nacht, in der sie überraschend streikte und wir schließlich mitsamt unseren Rädern in einem Boot über den Fluß gesetzt wurden. Der Mond spiegelte sich im träge fließenden Gewässer. Auch ein einsames Licht vom Fährkrug. Das war so recht die Stimmung, die in längst vergangene romantische Zeiten entrückte.
Normalerweise aber war es uns doch lieber, wenn das Vehikel funktionierte, und gern bezahlten wir regelmäßig beim Fährmann "foftig Penng", die wir meist griffbereit bei uns hatten.

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