Erinnerungen
an
die Schwebefähre Von HEIKO VAN DIEKEN Gute alte Schwebefähre: Noch immer überragt sie die Deiche des Dorfes, auch den stattlichen Kirchturm, dessen Uhr melodisch und leise die Stunden anzeigt und von dem die Glocken sonntags über die engen verträumten Gassen zu den flachen Marschwiesen hinüberklingen, die von einer lebhaften Autostraße durchschnitten werden. Im Sommer fahren hier Touristen erwartungsvoll der Elbe entgegen, sehen sich vielleicht schon auf einer der großen Fähren voller Vorfreude von Nordseemöwen umschwärmt halbwegs an ihrem Ziel, einer friesischen Insel. Gönnen sie im Vorbeifahren
dem ungewöhnlichen Eisengestänge einen Blick? Was mögen
sie von diesem imposanten Gebilde denken? Manchmal nimmt einer den Fuß
vom Gaspedal, biegt ein in die Dorfstraße, verweilt vor dem hübschen
Fährkrug am Deich der Oste und betrachtet staunend die ungewöhnliche
Konstruktion der Schwebefähre.
Wenn allerdings anfangs behauptet wurde, das schwebende Fahrzeug sei unabhängig von Wind und Wetter, so erwies sich dies bei höheren Fluten nun doch als zu optimistisch. Das war für die Ostener Schüler, die das Warstader Gymnasium besuchten, hoch willkommen. Denn in solchen Fallen kam frühzeitig ein Anruf bei der Sekretärin an, und freudig strebten die Gymnasiasten heimwarts, um rechtzeitig das rettende Ufer zu erreichen, begleitet von neidischen Blicken ihrer Mitschüler, die bis nach der sechsten Stunde warten mußten. Für die Einwohner von Osten waren solche Unterbrechungen keineswegs erfreulich. Die Autofahrer mußten dann einen weiten Umweg machen über Himmelpforten und die Brücke bei Hechthausen. Damals wohnten Verwandte
von uns in Großenwörden. Gern radelten wir abends noch mal von
der Fähre kommend durch das malerische Osten und weiter am gewundenen
Deich entlang. Wenn wir nach Hemmoor zurückfuhren, hörten wir
schon von fern das Surren der Fähre in nächtliche Stille. Werden
wir sie an diesem oder am jenseitigen Ufer antreffen? Unvergeßlich
die Nacht, in der sie überraschend streikte und wir schließlich
mitsamt unseren Rädern in einem Boot über den Fluß gesetzt
wurden. Der Mond spiegelte sich im träge fließenden Gewässer.
Auch ein einsames Licht vom Fährkrug. Das war so recht die Stimmung,
die in längst vergangene romantische Zeiten entrückte.
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