Ahlf (Hintergrund, 5. v. l.) in Rochefort


"Wir haben nur einen Gegner, 
und das ist der Rost"

Rede von Horst Ahlf, 1. Vorsitzender der Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre Osten, bei den Schwebefähr-Studientagen in Rochefort (Frankreich) am 19. September 1988

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich darf mich namens der Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre Osten e.V. recht herzlich für Ihre Einladung zu diesen Studientagen bedanken und die besten Grüße übermitteln.

Sie erlauben mir, daß ich jetzt das technische Baudenkmal "Schwebefähre Osten" vorstelle - beginnend bei seiner geschichtlichen Entwicklung.

Seit 1220 war die Fährstelle in Osten bekannt als Bootsfähre, ab 1423 mit Boot und Fährprahm (Fracht, Personen- und Viehtransport). Diese Art der Flußüberquerung konnte den immer stärkeren Transportverkehr (Anschluß an die Bahnlinie Hamburg-Cuxhaven sowie die Querverbindung Bremen-Holstein) nicht mehr gerecht werden, vor allem nicht im Winter bei Treibeis oder geschlossener Eisdecke, so daß der Übersetzverkehr bis zu 4 Monaten ruhte. Dies war wirtschaftlich nicht mehr vertretbar.

So beschloß der Rat der Gemeinde Osten am 10. 5. 1899, eine Dreh- oder Klappbrücke zu bauen. Dieser Plan wurde nach kurzer Zeitfallen gelassen, da der sehr stark zugenommene Schiffsverkehr (1897 = 13000 Schiffseinheiten) die Brücke die meiste Zeit hätte geöffnet lassen müssen, weil Schiffahrt Vorfahrt hatte.


Schwebefähre Rochefort heute

1905 wurde der Vorschlag der "Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschaft Nürnberg A.G. (M.A.N.) zum Bau einer Schwebefähre angenommen. Den Entwurf hierfür erstellte der Diplom-Ingenieur Pinette aus Berlin, ein Schüler von Gustave Eiffel. Die Gesamtkosten betrugen 286.000 Goldmark. Allein das Fährrecht war hier mit 80.000 Goldmark enthalten. Die Bauzeit betrug 1 Jahr und 6 Monate. Die Einweihung der Schwebefähre erfolgte am 1.10.1909.

Einige technische Daten:

Stützweite des Überbaues 60 m
Konstruktions-Unterkante 30 m über NN
Höhe des Fachgerüstes 8 m
Portal-Weite 25 m
Tragwand-Abstand 10 m
Durchmesser der 4 Laufräder 1 m 40 
Antriebsleistung des E-Motors 16 KW, 380 Volt, Drehstrom

Die Stromerzeugung besorgte ursprünglich ein mit einem Dieselmotor angetriebener Generator. Heute gibt es selbstverständlich eine direkte Stromleitung zur Fähre.

1966 wurde eine neue Fährgondel vom TÜV gefordert. Die Kosten hierfür betrugen DM 170 000. Die Transportfläche bot Platz für 8 PKW und 40 Personen.

Nachdem im Zuge des Ausbaues der Bundesstraße 495 eine Brücke über die Oste gebaut wurde (ca. 200 m entfernt), wurde die Schwebefähre am 31.5.1974 um 14 Uhr außer Dienst gestellt.

Nun, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen einiges über die Unterdenkmalschutzstellung sowie über die Gründung der Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre Osten vortragen und die Zielsetzung dieses Vereins erläutern.

Mit dem Betriebsschluß im Mai 1974 war der Startschuß zum Abriß der Schwebefähre gegeben. Eine gewisse Verzögerung entstand hierbei nur deshalb, weil die Abrißkosten höher waren als der Schrottwert. Freunde von mir im Fremdenverkehrsbereich und Befürworter eines Erhaltes der Schwebefähre bestärkten mich, gegenüber dem Besitzer, der Bundesrepublik Deutschland, einen Antrag zum Erhalt der Schwebefähre zu stellen und die Unterdenkmalschutzstellung zu erlangen. Dies ist mit viel Mühe gelungen.

Die Erstfinanzierung zur Restaurierung konnte wie folgt zusammengestellt werden:

DM 50.000 Land Niedersachsen,
DM 50.000 Landkreis Hadeln, 
DM 78.000 Bundesrepublik, 
DM 25.000 Samtgemeinde Hemmoor, 
DM 20.000 Landschaftsverband Stade.

Der Rest von DM 12.000,-- wurde von der Sparkasse und durch Spenden aufgebracht. Das war eine große Summe.

Am 17.10.1975 wurde der Verein rechtmäßig gegründet (mit 47 Personen).

Die weiteren Ziele des Vereins sind und waren, die Flußüberquerungsarten im Tidebereich museal zusammenzuführen und zu erhalten. Wie Sie aus der hier ausgelegten Broschüre entnehmen können, ist es uns gelungen.

Heute hat das Fährmuseum einen guten Ruf in der Fachwelt, und niemand denkt mehr daran, die Schwebefähre abzureißen. Die Unterhaltung einer solchen Konstruktion erfordert immer wieder  Anstrengungen und Fleiß, wie Sie alle wissen. Wir haben nur einen Gegner -  und das ist der ROST.

lch hoffe, daß ich Ihnen einen Einblick in das technische Baudenkmal geben konnte sowie in unsere Vereinsarbeit.

Es war mir eine Ehre und Freude, hier sprechen zu dürfen. Vielen Dank!


Pressemitteilung

SCHWEBEFÄHRE OSTEN IM
INTERNATIONALEN BLICKPUNKT

Die Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre Osten e.V. folgte ehrenvoller Einladung zur Teilnahme an den "Studientagen über die Schwebefähren und andere Brücken in Metallbauweise" in Rochefort/Frankreich

Veranstaltet von dem Service Historique de la Marine in Rochefort und unter der Schirmherrschaft ziviler und militärischer Behörden fand vom 18.-19.9.1988 in Rochefort, wo sich die letzte Schwebefähre Frankreichs, le pont transbordeur de Martrou, befindet, ein Symposium mit dem Thema "Schwebefähren und andere Brücken in Metallbauweise" statt. International anerkannte Wissenschaftler, Forscher und Experten aus Frankreich, Spanien, England und Deutschland verhalfen durch ihre hochinteressanten, wissenschaftlich wie historisch fundierten Vorträge über diese spezielle Art der Flußüberquerung der Veranstaltung zu einem beachtlichen Erfolg und zu einer großen Beachtung in der Öffentlichkeit und in der Presse.

Im einzelnen referierten:

- die französischen Gastgeber über die Themen "Die Brücken in Metallbauweise" (Prof. J. Pinard, Universität Limoges), "Entstehung und Entwicklung der Metallbrücken in Frankreich im 19. Jh." (Ing. Marcel Prade, Poitiers), "Die französischen Schwebefähren und die von Portugalete" (B.Marrey), "Die Restaurierung der Schwebefähre von Martrou" (Ph.Oudin,Paris) und "Die Konstruktion der Schwebefähre von Martrou" (Marc Fardet, Konservator, Rochefort),

- die spanischen Vertreter über die  "Schwebefähre von Portugalete" (Dr. Kosme de Baranano, Bilbao) und über "Der Architekt Alberto de Palacio" (Dr. Gonzales de Ourana).

- der englische Forscher Mr. Michael T. Knowles (Bath/München) über "Die englischen Schwebefähren und die von Osten (B.R.D.)".

Deutscherseits war die Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre Osten e.V. vertreten durch ihre Vorstandsmitglieder Horst Ahlf, 1. Vorsitzender, und Peter Burmester, Kassenwart, sowie deren Ehefrauen Gisela Ahlf und  Margret Burmester. Mit größter Aufmerksamkeit wurden die Ausführungen von Horst Ahlf verfolgt, der sein Referat unter das Thema "Die Schwebefähre Osten - Geschichte,Technik und Erhaltung eines technischen Bauwerkes" stellte und hierbei von Peter Burmester durch Vorführung von Dias und Verteilung von Dokumentationsmaterial unterstützt wurde.

Auch überreichte der 1. Vorsitzende dem Initiator dieser erstmaligen Veranstaltung, Herrn Marc Fardet, als Geschenk der Ostener Fördergesellschaft einen Handteller mit der Abbildung der Ostener Schwebefähre.

Verständlicherweise stand während dieser Tage der Wunsch und das Ziel der französischen Gastgeber, ihre ebenfalls als technisches Baudenkmal klassifizierte Schwebefähre von Martrou zu restaurieren und somit Frankreichs letztes Bauwerk dieser Art vor dem völligen Verfall zu retten, im Vordergrund. Leider befindet es sich in einem derart desolaten Zustand, daß die Restaurierungsarbeiten ca. DM 3.000.000,- verschlingen werden.

Da die von Ing. Ferdinand Arnodin von 1898 bis 1900 erbaute Fähre nach erfolgreicher Sanierung für touristische Zwecke wieder in Betrieb genommen werden soll, wurde Horst Ahlf in der abschließenden Diskussion um seinen Rat gebeten und mit zahlreichen Fragen organisatorischer und praktischer Art geradezu "bombardiert". Hier konnte Horst Ahlf nun über die Zielsetzung und tägliche Arbeit der Ostener Fördergesellschaft berichten, über die hervorragende Unterstützung seitens der Kreisverwaltung des Landkreises Cuxhaven, der Samtgemeinde Hemmoor und der Gemeinde Osten sowie über die gute Zusammenarbeit mit dem Wasser- u. Schiffahrtsamt Cuxhaven, dem TÜV-Nord u.a. Institutionen und nicht zuletzt über die tatkräftige Mithilfe der Mitglieder und Gönner.

Nur auf diese Weise, so führte Ahlf aus, könne ein solches Baudenkmal auf Dauer erhalten und darüberhinaus erfolgreich in den Dienst des Tourismus einer Region gestellt werden, so wie es in Osten seit vielen Jahren schon der Fall ist, wo die Schwebefähre weit über die Grenzen unseres Landkreises bekannt wurde.

Bei der Abschiedsfeier in Rochefort, die durch Darbietungen folkloristischer Gruppen umrahmt wurde, waren sich alle Teilnehmer einig, daß diese erste Studientagung nicht die letzte gewesen sein soll. So lud der Bürgermeister von Portugalete zu einem weiteren Treffen im nächsten Jahr in Spanien zur Schwebefähre von Portugalete ein. Darüberhinaus sind Besuche in Osten und England vorgesehen, um die freundschaftlichen Beziehungen zu vertiefen und weitere Erfahrungen auszutauschen.

www.schwebefaehre.org

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